Mitten in Erding:Wanninger lässt grüßen

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Wer online bei seinem Stromversorger seine Zählerstände eingegeben hat und später feststellt, dass da irgendwas nicht stimmt - der kann sich auf eine Telefon-Odyssee gefasst machen

Von Gerhard Wilhelm

Gehen Sie ins Gefängnis! Gehen Sie nicht über Los und ziehen Sie keine 4000 DM ein!" Wer kennt nicht diesen Satz aus Monopoly? Den hat man im Sinn, als man online bei seinem Stromversorger seine Zählerstände eingegeben hat und später beim Vergleich mit den Vorjahreswerten feststellt, dass da irgendwas nicht stimmen kann, überhaupt nicht. Okay, man hat LED-Lampen eingebaut, einen stromsparenden Kühlschrank gekauft, der neue Fernseher braucht auch nur noch die Hälfte des Stroms. Aber dass man in der Hauptzeit (HT) das ganze Jahr über nur 1,5 Kilowatt Strom gebraucht haben soll? Dafür laut Zähler in der Nebenzeit (NT) rund 2000 mehr als im Vorjahr?

Weil man eine ehrliche Haut ist und nicht im Gefängnis laden will, ruft man bei seinem Stromlieferanten an. Nicht, dass die einen zuletzt beschuldigen, manipuliert zu haben. Schließlich profitiert man selbst davon: NT-Strom ist billiger. Die nette Dame am Telefon vermutet, dass da wohl ein Zeitschalter defekt ist, sodass immer nur der NT-Zähler läuft, und wundert sich, dass so ein extrem geändertes Verbraucherverhalten - 1,5 Kilowatt Strom im Jahr - nicht intern angezeigt wird. Aber dann kommt es: "Das mit dem Defekt müssen Sie dem Netzbetreiber sagen." Ja, aber warum? Den Schaden hat doch der Stromlieferant, wenn man weniger zahlt. Die Dame bleibt dabei: Man müsse das selbst machen, sonst werde der Stromverbrauch irgendwann geschätzt.

Also ruft man bei der Firma an, die auf dem Stromzähler steht, der übrigens dem Stromversorger zu 100 Prozent gehört. Sogar eine Internetadresse läuft mit den Buchstaben des Konzerns an. Wieder ein betont netter Mitarbeiter. Auf Nachfrage, wo man den wohne, hört man: "Nein, das Gerät gehört uns nicht mehr, die Grundversorgung ist auf einen örtlichen Betreiber übergegangen." Die Frage, warum man sich überhaupt darum kümmern müsse, wenn doch Netzbetreiber und Stromversorger Mutter und Tochter sind, beantwortet der jungen Mann damit, dass die schließlich eigenständig seien. Beim Internetauftritt im Kundenportal hat sich das wohl noch nicht rumgesprochen.

Dritter Anruf. Wieder eine sehr nette Dame am Telefon. Sie lässt sich die Adresse geben, die Nummer des Stromzählers und sagt dann den Satz der Sätze: "Nein, der gehört uns nicht, da müssen Sie sich an Ihren Stromversorger wenden." Der Kreis schließt sich, Buchbinder Wanninger lässt grüßen. Gescheitert beim Versuch, Gutes zu tun, beschließt man, alles getan zu haben, um Schaden von Dritten abzuwenden. Dass man einen Pasch gewürfelt hat und doch nicht ins Gefängnis muss und auf der nächsten Ereigniskarte steht: "Begib Dich direkt auf Los und ziehe 4000 DM ein."

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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