Mitten in Erding:Knuddeln in Jogginghosen

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Jeder Tag ist irgendein Welttag. Auch dieser Sonntag. Aber Vorsicht: Es ist zwar ein netter Welttag, doch er kann auch für echte Überraschungen sorgen

Eine Kolumne von Gerhard Wilhelm

Weltjahrestage sind eine tolle Sache. Nachdem sie jahrelang eigentlich nur Gedenktage gewesen sind, begannen einzelne Institutionen in den 1940er Jahren damit, eigene Aktionstage ins Leben zu rufen. Alleine die Weltorganisation der Vereinten Nationen (UN) listet mittlerweile mehr als 150 Welttage auf. Sie sollen an internationale Themen und aktuelle Weltprobleme erinnern. Einige der bekanntesten dürften der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar, der Weltflüchtlingstag am 20. Juni sowie natürlich der Welttag der Pressefreiheit am 3. Mai sein.

Doch irgendwann hat sich der gute Sinn im Zeitalter der weltweiten Verknüpfung dank Internet ins Absurde verwandelt. Immer mehr PR-Agenturen oder einzelne Firmen versuchen sich regelmäßig in der Etablierung eigener Aktionstage. Und die finden doch tatsächlich plötzlich ihren Weg auch international ins Bewusstsein aller.

Einer dieser Tage ist an diesem Sonntag, 21. Januar: der Weltknuddeltag oder auch Weltkuscheltag. Den gibt es schon seit 1986. Auf die Idee kam der US-Pfarrer Kevin Zaborney in der Stadt Caro, Michigan. Ziel des Tages ist es, die Gefühle in der Öffentlichkeit besser zum Ausdruck bringen zu können und einander näher zu kommen - durch eine Umarmung. Zaborney nahm den 21. Januar, weil er zwischen Weihnachten als dem Fest der Liebe und dem Valentinstag als dem Tag der Liebenden liegt. Und wenn es den lieben langen Tag mehr dunkel als hell ist, braucht der Mensch halt noch mehr tröstende Umarmungen. Was viele konsequent ignorieren: Zaborney hatte den Tag für die Liebenden gedacht, nicht, dass man auf der Straße plötzlich auf einen wildfremden Menschen los rennt und ihn umarmt. Notfalls muss dann oft die Begründung beim Umarmer her halten, dass man dies doch nur mache, weil Umarmungen zu einem verbesserten Immunsystem, einem verringerten Risiko für Herzkrankheiten sowie einem niedrigeren Spiegel des Stresshormons Cortisol bei Frauen beitrage, wie Wissenschaftler herausgefunden haben wollen. Verantwortlich für all das ist das Hormon Oxytocin, welches beim - freiwilligen - Kuscheln vermehrt ausgeschüttet wird.

Wenn also am Sonntag im Landkreis Erding ein wildfremder Mann auf eine Frau (oder umgekehrt natürlich) mit weit geöffneten Armen zukommt, sollte man nicht gleich zum Pfefferspray greifen, er (oder sie) meint es ja vielleicht einfach nur nett, oder ist ein(e) heimliche(r) Verehrer(in). Und sollte er (oder sie) dies mit einer Jogginghose bekleidet tun: am 21. Januar ist auch Tag der Jogginghose. Und was hat Karl Lagerfeld einmal über die Jogginghose gesagt: "Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren". Also geben Sie dem armen Kerl (oder Frau) wenigsten für ein paar Sekunden einen Halt.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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