Mitten in Erding:Indizien gegen den Sommer 2016

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Es gibt untrügliche Anzeichen, ab wann die heiße Zeit im Jahr beginnt. Aber heuer wollen die sich einfach nicht so recht einstellen

Von Gerhard Wilhelm

Woran erkennt man normalerweise unzweifelhaft, dass es Sommer ist und die großen Ferien vor der Türe stehen oder angefangen haben? Dafür gibt es mehrere Anzeichen: Die Röcke werden kürzer und die Birkenstocksandalen-Träger häufiger, es tauchen Autos mit Wohnwagen auf, die ein gelbes Nummernschild haben, die Parkplätze an Seen und Freibädern nehmen rasant ab, die Chancen am S-Bahnhof einen Parkplatz zu finden in unmittelbarer Nähe zum Zugang nimmt dafür dazu, die Grillfeuerschwaden vom Nachbar werden häufiger und dichter, die Biergärten sind schon mittags voll und viele verlassen ihn abends erst, wenn kein Bier mehr ausgeschenkt wird. Dazu gibt es an jeder Ecke ein Sommerfest, Open Air - egal ob mit Musik oder Kino -, lange Schlangen an den Eisdielen und unter den Sonnenschirme an den Cafés suchen die Menschen den kühleren Schatten auf. Kurz: Es ist heiß und allen geht es gut - zumindest wenn es nicht zu heiß wird, genügend kühle Getränke da sind und der Kreislauf keine Probleme macht.

Und im Sommer 2016? Der Blick am Freitagmorgen gegen sechs Uhr aus dem Fenster lässt einen verwundert die Augen reiben. Der zweite Blick lässt nur eine Feststellung zu: Mist, verschlafen, den ganzen Sommer wohl, es ist schon Ende Oktober, so neblig, nass und trübe ist es draußen. Aber eigentlich fühlt man sich so müde, als hätte man nur fünfeinhalb Stunden geschlafen. Der Blick auf den Kalender zeigt die nackte Wahrheit: Es ist Freitag, 22. Juli 2016, man hat nicht verschlafen und es müsste Sommer sein.

Aber es sprechen mehr Indizien dagegen als dafür: Die Biergärten sind am Spätabend ziemlich leer, und die, die noch herumsitzen, sind dick eingepackt, genauso wie im Open-Air-Kino die Leute schon beim Filmstart um 21.30 Uhr die zweite Decke um sich schlingen. Grillfeiern? Sommerfeste? Angekündigt und wieder abgesagt. Und unter die Sonnenschirme setzen sich die Leute, weil sie der Regen dort nicht erwischt. Die Statistik liefert den Beweis: Es fiel so viel Regen, wie seit 1990 nicht mehr im Juni. Und dabei war der Juni mit 17,0 Grad gut ein Grad wärmer als im Durchschnitt der letzten 30 Jahre. Da fällt einem gleich wieder ein Lied von Rudi Carrell von 1975 ein: "Wann wird's mal wieder richtig Sommer?"

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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