Mitten in Erding:Hiesige Dialektik

Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.

Kolumne von Regina Bluhme

Vor der Kasse in einem Erdinger Getränkemarkt hat sich eine kleine Schlange gebildet. Ganz vorne steht ein älterer Herr mit Hut. Er hievt eine Bierflasche örtlicher Provenienz aus dem Träger, um es dem jungen Mann hinter der Theke zum Scannen zu reichen. In dem Moment fällt der Blick des Kunden auf eine kleine Bierflasche neben der Kasse. Es handelt sich laut Aufschrift um ein Craft Beer, Geschmacksrichtung "Cherry Blossom".

"Scho wieda so a englisches Zeug", schimpft der ältere Herr mit deutlich bairischem Zungenschlag. Was das überhaupt heißen soll, "Cherry Blossom"? Der Verkäufer verweist auf die Geschmacksrichtung Kirsche, was den Kunden jetzt aber so richtig zum Schäumen bringt. Seine mit Kraftausdrücken durchsetzte Rede beginnt damit, dass Bier gefälligst nach Bier zu schmecken habe und nicht "nach irgend so einer Kirschlimo".

Daraufhin bedauert er wortreich, dass es um die Bierkultur in Bayern auch schon mal besser gestellt war, was schlimm sei, aber irgendwie auch schon wieder wurscht, weil ohnehin alles den Bach runter gehe, vor allem auch die bairische Sprache. Kein Mensch spreche ja mehr Bairisch, nur noch Hochdeutsch oder Schlimmeres sei auf den Straßen zu hören, lamentiert der Senior. In der Schlange hinter ihm, die mittlerweile doch etwas länger geworden ist, räuspert sich jemand ziemlich laut. Schweigend reicht der Getränkemarktmann dem Kunden den Rechnungsbon. Der ältere Herr seufzt, zahlt, nimmt das Wechselgeld entgegen und verabschiedet sich mit urbayerischem Gruß: "Merci dir."

© SZ vom 02.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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