Mitten in Erding:Geniales Manöver

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Wahlplakate im politischen Diskurs sind eigentlich kaum der Rede wert. Es sei denn, die CSU prescht vor

Von Max Ferstl

Als die Erdinger CSU am vergangenen Samstag widerrechtlich ihre Wahlplakate aufstellte, fielen die Reaktionen verhalten aus. Die Konkurrenz verschickte den dezenten Hinweis, dass Wahlplakate in Erding erst sieben Samstage vor der Wahl erlaubt sind, also von kommenden Samstag an. Doch sie verzichteten auf schwere Attacken. Die CSU wiederum gestand den Fehler bereitwillig und sammelte die Plakate ein. Ganz so, als wären Wahlplakate im politischen Diskurs kaum der Rede wert.

Der Eindruck verstärkt sich, da Parteien sie gerne nach dem Prinzip gestalten: Wer spinnt gewinnt. 2012 vertraute die SPD auf die identitätsstiftende Wirkung der Currywurst und überzog Nordrhein-Westfalen mit dem Slogan: "Currywurst ist SPD". Schwer zu sagen, für welchen Beteiligten der Gesichtsverlust größer war, aber wurscht. Schließlich gibt es beim Verzicht auf Logik einen parteiübergreifenden Konsens. Einmal inszenierte sich FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding auf ihrem Plakat als "Unser Mann für Hamburg" - und gewann. Genauso wie die SPD mit ihrer Currywurst. Erklären lässt sich das Phänomen mit dem Jim-Messina-Theorem. Messina, Wahlkampfmanager von Barack Obama, hat ausgerechnet, dass der durchschnittliche Wähler vier Minuten pro Woche an Politik denkt. Das genügt wohl, um zu erkennen, dass eine Currywurst keine Partei oder Katja Suding kein Mann ist. Nicht aber, um komplexe Fragen zu erörtern: Sind 42 oder doch lieber 45 Prozent die ideale Höhe für einen Spitzensteuersatz?

Deshalb dürfen Wahlplakate auf keinen Fall stichhaltige Argumente transportieren. Die Partei für Gesundheitsforschung hat das einmal versucht. Sie druckte eine Abhandlung über "längeres und gesundes Leben", die der Durchschnittswähler in vier Minuten höchstens bis zur Hälfte lesen konnte. Am Wahltag kam die Quittung: verheerende 0,5 Prozent. Natürlich wissen erprobte Wahlstrategen: Die Bedeutung des Wahlplakats kann nicht überschätzt werden. Scheinbar beiläufig hieven sie die Parteien in die kurze politische Aufmerksamkeitsspanne des Wählers. Das klappt nun mal am besten, indem man entweder hanebüchenen Unsinn neben den Partei-Namen setzt, oder sich charmant in die Wählergunst lächelt. Letzteres haben Angela Merkel und Abgeordneter Andreas Lenz in Erding bereits am vergangenen Samstag getan. Ein geniales Manöver übrigens. Die CSU hat nun eine Woche Vorsprung, also vier Minuten beim Wähler. Vielleicht protestierten die übrigen Parteien deshalb nur halbherzig. Sie ahnen wohl, dass der Rückstand kaum noch aufzuholen ist.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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