Die Farbpsychologie ist eine sehr interessante Disziplin. Wie es einmal in dieser Zeitung hieß, sei Farbe nicht nur Ästhetik, Farbe habe Funktion. Farben wirken im Unterbewusstsein, Farben verdrehen den Menschen den Kopf. "Es reicht, eine Farbe nur einen Moment lang wahrzunehmen, damit sie ein vorhersagbares Verhalten auslöst", sagte ein Psychologe.
Die Farbe Rot (" wirkt nicht nur anziehend, es weckt auch Misstrauen und Wachsamkeit, hält auf Abstand und schüchtert ein") wird an diesem Dienstag eine ziemlich große Rolle in Erding spielen. Denn am Abend gegen 18 Uhr wird der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz (von der schwarzen Partei) einen Schalter umlegen - und endlich wird die Haager Straße rot beleuchtet. Dann wird das Kunstwerk "Jetzt", das sich schon seit Monaten hinter einem rot-weißen Bauzaun am Eingang zur Erdinger Altstadt versteckt, offiziell eröffnet. Mit mehrmonatiger Verspätung, was dem Künstler Robert Kessler gar nicht gefallen hat. Er ärgert sich außerdem ziemlich, dass die Eröffnung nur im kleinen Kreis stattfinden wird und nicht die ganze Erdinger Bevölkerung eingeladen ist. Ob sich unter diesen Voraussetzungen der Bürgermeister und der Künstler viel zu sagen haben, wenn zum ersten Mal das leicht wabernde rote Licht eingeschaltet wird, das an der Unterseite des Bogens angebracht wird? Wie gesagt: Rot hält auf Abstand und schüchtert ein.
Unter zu viel Abstand wird eine zweite Veranstaltung wohl nicht leiden, die zeitgleich in der Altstadt stattfindet: Der tiefrote Coca-Cola-Weihnachtstruck macht Station in der Stadt. Rote Kunst trifft auf roten Kommerz - irgendwie ironisch. Vielleicht können der OB und Kessler ja ihre Zwistigkeiten über das Kunstprojekt, das von vielen Pleiten und Pannen begleitet wurde, bei einer kühlen Cola beiseite legen und sich über das schöne Werk freuen. Oder sie trinken einen Glühwein - der ist ja auch rot.