Mitten in Erding:E-Mails an die Redaktion

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So praktisch sie auch ist - die elektronische Kommunikation hat auch ihre Tücken

Von Thomas Daller

Es gibt unter Journalisten einen Spruch, der lautet: "Das bisschen, das ich lese, schreib' ich mir selbst." Das ist natürlich nur selbstironischer Quatsch, denn was wir hier in der Redaktion jeden Tag weglesen, das geht auf keine Kuhhaut. Das fängt schon jeden Morgen mit den vielen E-Mails an, die an die Redaktionsadresse reintrudeln. Knapp die Hälfte ist relevant: Post von Vereinen, Gemeinden, Behörden, Leserbriefschreibern und vieles mehr. Die andere Hälfte ist aus Sicht einer Erdinger Lokalredaktion völliger Müll: Wenn in Neuseeland eine Kaffeehauskette eine neue Filiale eröffnet, kriegen wir dazu eine Pressemitteilung in englischer Sprache. Wenn ein Niederösterreicher auf der Leipziger Buchmesse seinen Roman-Erstling vorstellt, gehören wir zu den ersten, die davon erfahren. Und wenn in Hinterkleinschnittlauch der traditionelle Tag des Weidenflechtens gefeiert wird, muss man halt das auch der SZ Erding mitteilen. Von den E-Mails der harmlosen Spinner, denen ihr Meisendoktor eine Schreibtherapie verordnet hat, mal ganz zu schweigen.

Unsere Adresse befindet sich in irgendeinem Medienverteiler, mit dem weltweit PR-Agenturen arbeiten. Wir brauchen jeden Morgen so an die 20 Minuten, bis wir mit unserer elektronischen Mistgabel all jene Schreiben aussortiert haben, die für unsere Leser ohne jegliche Bedeutung sind. 20 Minuten, und das an jedem unserer sechs Arbeitstage, denn am Sonntag schiebt bei uns ja auch einer Dienst. Da läppert sich was zusammen an vergeudeter Lebenszeit.

Daran haben wir denken müssen, als wir die Nachricht erhielten, der Erfinder der E-Mail, Raymond Tomlinson, sei dieser Tage gestorben. Wir sind nämlich so alte Uhus in der Redaktion, dass wir uns noch daran erinnern können, wie das war, bevor alle Welt per Mail miteinander kommunizierte. Da kam morgens die Briefträgerin rein und hat uns einen Packen auf den Schreibtisch gelegt. Und weil man diese Briefe frankieren muss, hat es sich der Absender überlegt, ob der Adressat an seinem Schreiben überhaupt interessiert sein könnte. Also nix mit Kaffeehauskette in Neuseeland, weil die weltweiten Portokosten an alle Medien sehr viel teurer als die neue Filiale gewesen wären. Aber man stelle sich nur mal vor, wie es wäre, wenn all diese elektronischen Briefchen, die tagtäglich in den digitalen Papierkörben der Büros landen, noch in Papierform wären und die Schreiber wie früher Porto dafür zahlen müssten. Die Post wüsste nicht mehr wohin mit der ganzen Knete und alle Briefträger bekämen dann ein neues Zustellfahrrad aus massivem Gold. So ein sauschweres Teil könnte man weder fahren noch schieben und die gesamte Kommunikation bräche zusammen. Da nehmen wir doch lieber ein bisschen Spam im Mail-Eingang in Kauf.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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