Mitten in Dorfen:Ökologie und Leberkäs

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Neuerdings radelt der Kollege zur Arbeit. Seinen ökologischen Fußabdruck haben wir dabei messerscharf analysiert.

Von Thomas Daller

Der Redaktionskollege hat sich ein neues Radl gekauft. Pünktlich zum teils verregneten Sommerbeginn. Die bisherige Fahrgemeinschaft lockert sich, sobald die Sonne scheint, klingelt morgens zuverlässig das Telefon, sobald man unter der Dusche steht und der Kollege ist immer völlig gut gelaunt, wenn er sagt: "Brauchst heut nicht auf mich zu warten, ich fahr mit dem Radl." Von Dorfen nach Erding sind es gut 20 Kilometer, das ist schon sportlich vor der Arbeit.

ADFC und AOK finden das auch lobenswert und haben uns eine Mail geschickt zur diesjährigen Aktion "Mit dem Rad zur Arbeit". Da kann man Urlaubsreisen (Plural!) gewinnen im Gesamtwert von 1000 Euro. Das klingt jetzt nicht nach Fernreisen nach Hawaii, sondern nach 50 mal Bayernticket. Obwohl: Fernreisen sind ja eh out, wegen CO2, Klimawandel und so. Aber befassen wir uns mal mit dem ökologischen Fußabdruck eines Radlers, der von Dorfen zur Arbeit nach Erding fährt. Damit schmälert man beispielsweise die Nachfrage im öffentlichen Personennahverkehr, haben wir dem Kollegen erklärt, weil der Regionalbus noch weniger ausgelastet ist. Oder nehmen wir die bewährte Fahrgemeinschaft. Denn dabei nutzen wir ein Zwei-Liter-Auto. Hubraum, versteht sich, nicht Verbrauch. Bei so einer Spritschleuder könnte man auch die Ökobilanz senken, wenn nicht nur der Fahrer allein im Auto sitzt. Aber nein, der Herr Kollege muss ja mit dem Radl fahren. Und wohin führt das ökologisch? In eine Sackgasse. So wie aberhunderttausende Radler im Freistaat stärkt sich unser Kollege vor der Rückfahrt nochmal mit einer Leberkassemmel. An und für sich in Ordnung, nur ist es in diesem Fall allein dem Kalorienverbrauch der Fahrradfahrt geschuldet. Fahrradfahren führt somit zu erhöhtem Leberkäsverzehr, das wiederum fördert die Massentierhaltung, Massentierhaltung führt zu gesteigertem Methan- und CO2-Ausstoß und den Rest hatten wir ja schon durchgenommen. Das leitet weiter zur Konklusion, dass Radlfahrer Umweltschweine sind. Nachdem wir unserem Redaktionsradler diese Argumentationskette unterbreitet haben, ist er erst einmal baff, welchen Schmarren wir uns wieder haben einfallen lassen, um ihn auf den Arm zu nehmen. So wie wir ihn kennen, ist wohl umgehend mit einer pfiffigen Retourkutsche zu rechnen. Dann schwingt er sich in den Sattel und radelt nach Hause. Beneidenswerte Kondition. Vielleicht sollte man doch mal morgens mitradeln.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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