Mitten in Dorfen:Gärtnerischer Sarkasmus

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Die neuen Nachbarn haben ihre eigene Sicht auf gärtnerische Dinge.

Von THOMAS DALLER

In der Nachbarschaft ist vor geraumer Zeit einer älteren Dame gekündigt worden, wegen Eigenbedarf. Der Sohn der Wohnungseigentümerin wollte mit seiner Frau dort wohnen. Die ältere Dame hat zwar wieder eine neue Wohnung gefunden, aber sie hat ihren alten Garten sehr vermisst. Er war nicht groß, aber es war Platz für einen kleinen Apfelbaum und einen ebenfalls kleinen Gartenteich mitsamt Teichrosen und einem Wasserfrosch. Und es wuchsen jede Menge Blumen und Stauden dort. Ein Paradies für Schmetterlinge, Bienen, Hummeln und Libellen. Die ältere Dame hatte einfach einen grünen Daumen. Aber die jungen Leute hatten dafür keine Verwendung. "Ein Baum macht nur Dreck", sagte die junge Frau. Der Apfelbaum wurde umgesägt und die Wurzel ausgegraben. Auch der Gartenteich wurde zugeschüttet. "Ganz schwarz" seien die Mückenschwärme immer dort aufgestiegen, sagte die junge Frau. Na ja, mag vielleicht sein, aber der Wasserfrosch war eigentlich deswegen so zeckerlfett, weil er die im Wasser schwimmenden jungen Mückenlarven, bevor sie schlüpfen konnten, schon aufgefressen hatte. Aber so hat halt jeder seine eigene Wahrnehmung. Die Büsche wurden ausgegraben und die Blumen ausgerupft und schließlich wurde mit der Erdfräse der ganze Garten komplett umgegraben. Dann wurde auf der ganzen Fläche Rasen angesät, der seither jeden Samstag streichholzkurz gemäht wird. Das Einzige, was noch in dem Garten steht, ist eine Satellitenschüssel, die an einem Stahlrohr montiert ist, das offenbar früher mal die Stange eines Verkehrsschildes gewesen ist. Und an dieser Stahlstange pappt noch ein alter Aufkleber, den die Grünen in den Achtzigerjahren rausgebracht haben. Einer von diesen runden mit knallgelbem Hintergrund, wie er in ähnlicher Form auch für die "Atomkraft? Nein Danke"-Pickerl verwendet wurde. In diesem Fall ist das Motiv jedoch ein lächelnder Baum und auf dem Aufkleber steht: "Baum ab? Nein Danke!" Ein schöneres Beispiel für unfreiwilligen gärtnerischen Sarkasmus haben wir in ganz Dorfen noch nicht gesehen.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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