Mitten in der Region:Zehn Stunden bis Italien

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Das Navi will nicht nach Emmering, sondern nach Rom. Und die Autorin eigentlich auch

Kolumne von Ingrid Hügenell

Leicht quietschend schiebt der Scheibenwischer die winzigen Feuchtigkeitstropfen von der Windschutzscheibe, die der Nebel dort abgelegt hat. Es ist kalt, fröstelig, dunkel - November eben. Trotzdem ist man auf der Bundesstraße 2 guten Mutes unterwegs zu einer Veranstaltung der ÖDP in Emmering. Wird bestimmt ganz spannend. Plötzlich, etwa auf der Höhe von Hoflach, blinkt das Naviprogramm des Smartphones einmal seltsam auf. Danach steht dort: Noch 941 Kilometer, Ziel: Italien. Ankunft dort in neun Stunden, 45 Minuten. Bitte in 800 Metern wenden.

Hoppla, wie kommt das denn jetzt? Man hat das Gerät ja gar nicht berührt! Hat es die geheimsten Gedanken gelesen, die einem selber nicht bewusst sind? Oder hat eine Bodenwelle den elektronischen Hüpfer ausgelöst? Und soll man jetzt wirklich wenden? Dann wäre man zum Frühstück in Italien, wahrscheinlich in Rom. Darauf deutet der rote Punkt auf der Karte hin, die das Handy jetzt zeigt. Frühstück in Rom. Nachts über die Alpen, ob da Schnee liegt? Egal, die Winterreifen sind ja drauf. Tanken würde man irgendwann müssen, am besten in Österreich, da ist es billiger. Und zu Hause Bescheid sagen. Aber dann: Frühstück in Rom! Wo bei 17 Grad die Sonne scheint. Nicht einmal Geld müsste man wechseln, dem Euro sei Dank. Und nach den Alpen würde man in die Sonne fahren, immer nach Süden. Einfach durchfahren, das Radio laut aufdrehen, die Konsequenzen ignorieren, und dann: Rom, Italien, Cappuccino, Freiheit!

Natürlich wendet man nicht. Natürlich fährt man nicht links nach Italien, wie das Handy mahnt, sondern brav rechts, nach Emmering. So etwas macht man doch nicht, das tut doch nur Konstantin Wecker in seinen frühen Liedern, und manchmal irgendwelche Leute in irgendwelchen Filmkomödien. Ohnehin zeigt das Handy auch immer noch Emmering als Ziel an, einen Ort, der mit Rom wenig gemein hat, wo aber der wahrscheinlich ganz spannende Termin wartet. Während man pflichtbewusst parkt, sagt eine leise Stimme im Kopf: Was, wenn man sich doch getraut hätte!

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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