Mitten in der Region:Wüstenschiffe mit Freiheitsdrang

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Drei Dromedare und zwei Kamele alleine auf der Straße. Da kann auch die Polizei nur eines feststellen: Landestypisch ist das nicht

Kolumne von Gregor Schiegl

Das Fresko im Prunktreppenhaus der Würzburger Residenz ist weltberühmt. Es zeigt Allegorien der im Spätbarock bekannten vier Erdteile Afrika, Asien, Amerika und Europa. Ihnen beigestellt sind vermeintliche typische Tiere, etwa das Nashorn für den amerikanischen Kontinent. Weniger bekannt ist das kongeniale Gemälde von Georg Dieffenbrunner an der Decke der Inhauser Dorfkirche bei Haimhausen im Landkreis Dachau: Hier gibt eine Frau mit Turban dem Orient ein Gesicht, um sie herum tummeln sich dunkelgraue Tiere, die aussehen wie Pferde mit Bärenohren; angeblich soll es sich um Kamele handeln. Zu Dieffenbrunners Ehrenrettung sei gesagt: Beim großen Giovanni Battista Tiepolo sehen die Viecher auch nicht sehr kamelig aus, eher so, wie der Bayer sie nennt, "Kamöi", leicht surreal.

Heute weiß jedes Kind, wie ein Kamel wirklich ausschaut, sei es aus der Zigarettenwerbung oder dem Tierpark Hellabrunn. So fiel es auch der Zeitungsausträgerin, die am Mittwoch frühmorgens gegen 4.30 Uhr unterwegs war, nicht schwer, die fünf Tiere mit 20 Beinen und sieben Höckern zu identifizieren, die auf und neben der Straße einher trabten. Es waren drei Dromedare und zwei Kamele, frohgemut und ausgeschlafen, aber offenkundig herrenlos. "Da diese Tiere freilaufend nicht landschaftstypisch sind", wie es im Polizeibericht heißt, verständigte die Frau die Polizei.

Die hat mit solchen Einsätzen schon einige Erfahrung. Die Streife weckte also einfach den wahrscheinlichsten Besitzer, einen Zirkusinhaber, der in ein paar Kilometer weg seine Zelte aufgeschlagen hatte und als Besitzer in Frage kam. "Dieser sammelte dann seine Wüstenschiffe wieder ein", schreibt die Polizei und vermerkt im Bericht launig: "Der heiße Sommer verleiht Dromedaren und Kamelen offensichtlich einen starke Freiheitsdrang." Bedauerlicherweise nicht erwähnt wird in dem Bericht, wohin sie unterwegs waren, nach Würzburg oder in die Wüste Gobi.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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