Mitten in der Region:Wahlkampf auf Rädern

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Mit den Nutzern der Mitfahrbänke in Moosburg verhält es sich wie mit dem Yeti: Es wird behauptet, dass es ihn gibt, aber niemand hat ihn je gesehen. Doch nun macht die Linke mobil

Kolumne von Alexander Kappen

Seit vergangenem Jahr gibt es in Moosburg eine ganz praktische Einrichtung: die sogenannten Mitfahrbänke. Wer kein Auto hat, aber zum Beispiel jemanden in Wang besuchen oder im Gewerbegebiet Degernpoint einkaufen möchte, kann sich auf die dafür vorgesehenen Bänke setzen - und darauf hoffen, dass wer anhält und ihn mitnimmt.

Nicht repräsentative Stichproben haben ergeben, dass das Gedränge auf diesen Mitfahrbänken nicht allzu groß sein dürfte. Mit den Nutzern der Mitfahrbänke verhält es sich nämlich so ähnlich wie mit dem Yeti: Es wird immer wieder behauptet, dass es ihn gibt, aber niemand hat ihn jemals gesehen. Quasi um das Gegenteil zu beweisen, begibt sich nun das Forscherteam der Moosburger Linken am kommenden Freitag, 6. Dezember, auf eine kurze Expedition. Zwischen 14 und 17 Uhr fahren die Kandidaten für die Kommunalwahl im März gezielt die Mitfahrbänke an, um nachzuschauen, ob dort tatsächlich niemand sitzt. Vielleicht kommen aber jetzt auch ganz viele Mitfahrwillige, weil sie ja wissen, dass sie zumindest innerhalb dieser drei Stunden garantiert wer aufklaubt und ans Ziel bringt. Und wenn man schon mal so nett nebeneinander im Auto sitzt, biete das "die Gelegenheit, Fragen zu stellen, Anregungen aufzunehmen und so weiter", heißt es in der Ankündigung. Mit anderen Worten: Wahlkampf auf Rädern.

Wer weiß, womöglich nehmen die Bürger das Angebot ja dankend an, nach dem Motto: Dem Dauerwahlkampf der nächsten Monate komme ich eh nicht aus, also nehm ich mit, was geht. Statt Gummienten, Luftballons und Kugelschreiber, die es sonst an den Wahlständen so gibt, ist 'ne Freifahrt mal eine angenehme Abwechslung. Wenn das unter den Wählern die Runde macht, der große Run auf die Mitfahrbänke beginnt und die Leute sich dort in Viererreihen stapeln, springen sicher auch alle anderen Parteien auf. Dann fahren die Autos sämtlicher Bewerber in Kolonnen vor wie die Taxis am Bahnhof zur Hauptverkehrszeit.

Stadtrat Jörg Kästl packt die Mitfahrer auf den Gepäckträger seines berühmten orangen ÖDP-Radls und zeigt ihnen, wo er schon überall Cappuccino getrunken oder Bienen gerettet hat. Die Grünen fahren die Wähler im Fünferpack mit Elektro-Lastenrädern durch die City und schütteln diese bei einer gepflegten Kopfsteinpflaster-Rallye mal ordentlich durch, um zu demonstrieren, dass es auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Kommune noch einiges zu tun gibt. SPD-Stadtrat Martin Pschorr kutschiert die Mitfahrer in seinem Auto geschwind zum "Plan", weil man es ausnutzen muss, solange es dort noch genügend Parkplätze gibt. Und die CSU fährt im extra gemieteten Reise-Bus vor, denn wer die meisten Sitze im Stadtrat vorweisen kann, hat gewiss auch die meisten Mitfahrer. Alle Kandidaten, egal welcher Couleur, bieten dem beifahrenden Wahlvolk selbstverständlich die Gelegenheit, Fragen zu stellen, Anregungen aufzunehmen und so weiter. Am Ende rutschen die Bürger dann vom Gepäckträger, krabbeln aus dem Lastenrad, steigen aus dem Auto oder Bus und denken sich: Nächstes Mal nehm' ich lieber wieder die Gummiente.

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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