Mitten in der Region:Von wegen Schwein gehabt

Lesezeit: 1 min

In so einem Paralleluniversum ist natürlich vieles vorstellbar

Von Alexander Kappen

Man wird - Gott sei Dank - ja nicht alle Tage Opfer eines Verbrechens. Wenn es einen dann aber doch mal erwischt, ist das eine absolute Ausnahme- und Stresssituation. Das Adrenalin schießt einem durch den Körper und im Hirn schlägt die eine oder andere der rund 100 Billionen Synapsen Funken. Man ist aufgeregt, aufgebracht und aufgewühlt, so dass man bei der Schilderung der Vorkommnisse und der Beschreibung desjenigen, der einem das angetan hat, im Eifer des kriminalistischen Gefechts schon mal seine gute Kinderstube vergisst. Wenn einem etwa eine mehr oder weniger wertvolle Armbanduhr gewaltsam vom Handgelenk gerissen wird, ist es bei der polizeilichen Vernehmung also womöglich nicht ganz so leicht, die Contenance zu bewahren. Dann heißt es eben nicht: "Herr Wachtmeister, ein etwas unwirsch wirkender Unbekannter hat auf unschöne Weise meine Armbanduhr entwendet." Sondern: "Irgend so ein Schwein hat meine Uhr geklaut!"

So oder so ähnlich dürfte es auch ein 23-jähriger Niedersachse zu Protokoll gegeben haben, der kürzlich beim Musikfestival Utopia Island in Moosburg auf oben geschilderte Weise bestohlen wurde. Nur dass er, als der erste Ärger verraucht war, nicht dazu überging, den Täter in einem in solchen Fällen üblichen Duktus zu beschreiben: Etwa 1,80 Meter groß. Blonde, kurze Haare. Blaue Hose, grünes T-Shirt. Nein, der Beklaute beharrte auf seiner Darstellung: Es war schlicht und einfach ein Schwein. Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass diese Aussage - vermutlich - nicht dem Umstand geschuldet war, dass er irgendwelche bei solchen Festivals der Sage nach nicht ganz unüblichen, bunten Pillen geschluckt hat oder am Campingplatz durch eine hoch konzentrierte Hanfwolke vor dem Nachbarzelt gelaufen ist, weil er nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte. Der junge Mann wurde, so stand es im Polizeibericht, tatsächlich von einem Schwein bestohlen. Oder genauer gesagt: von einem Dieb im Schweinekostüm. Nun gut, es war ein Festival, das die Organisatoren mit Sätzen wie "Tanze und feier' mit uns, als ob es kein Morgen gäbe" bewarben und von dem der Pressesprecher sagte, wenn die Maschine der Veranstalterfirma "losläuft, dann passiert Außergewöhnliches". In so einem Paralleluniversum ist natürlich vieles vorstellbar. Auch ein Dieb im Schweinekostüm außerhalb der tariflich vereinbarten Karnevalskernzeiten. Obwohl - vielleicht war die Theorie mit der Hanfwolke doch nicht so abwegig . . .

© SZ vom 24.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: