Die Heuschrecke hat ja keinen so guten Ruf. So ist sie im Alten Testament zwar im Auftrag des Herrn unterwegs, allerdings weit weniger charmant als 3000 Jahre später Jake und Elwood Blues. Stattdessen ist sie Instrument göttlicher Rache, was sich imagemäßig nicht sehr positiv ausgewirkt hat. Wenn heute der Begriff Heuschrecke fällt, geschieht dies häufig in Zusammenhang mit unanständigen Finanzpraktiken. Dabei hat die Heuschrecke auch ihre guten Eigenschaften.
Sie trägt nämlich in diesen Tagen maßgeblich zur Fitness ihrer menschlichen Nachbarn bei, indem sie sich in deren Behausungen schleicht, an den unmöglichsten Stellen plötzlich auftaucht und ins Freie getragen werden will. Aber erst nach einer kleinen Verfolgungsjagd, die oft dort endet, wo das zum beschädigungsfreien Abfangen des Grashüpfers mitgeführte leere Marmeladenglas nur unter erheblichen Verrenkungen - andere bezahlen für sowas einen Yoga-Lehrer - über selbigen, also den Heuhüpfer nicht den Guru, gestülpt werden kann. Außerdem gelangt man auf der Heuschreckenjagd an sonst eher selten besuchte Stellen hinter den Einrichtungsgegenständen, die Heuschrecke weist dezent darauf hin, dass hinter dem Bücherregal vielleicht mal wieder gestaubsaugt werden sollte. Auch in punkto Atmosphäre wirken sich die kleinen Hüpfer positiv aus. Wer im Gegensatz zu gefühlt dem Rest der Menschheit derzeit nicht verreist ist, muss dennoch nicht auf Ferienambiente verzichten, das fröhliche Gezirpe von hinter dem Sofa vermittelt gleich das Gefühl von Urlaub, Sommer, und warme Nächte unter freiem Himmel.
Nur eines ist ein bisschen verdächtig an der Grashüpferinvasion. Statt in heuschreckentypischen Schwärmen treten sie nur einzeln auf. Was die Frage aufwirft, ob es eventuell immer der selbe Heuschreck ist, der sich zirpend hinterm Bücherregal einfindet und zur Turnstunde lädt - vielleicht ist er ja als Individualtourist unterwegs.