Mitten in der Region:Tante Käthes Foodporn

Lesezeit: 1 min

61 Prozent der Deutschen sollen angeblich ihr Essen fotograferen, um es virtuell zu teilen. Das hat man früher auch schon gemacht. Nur nicht virtuell

Kolumne von Iris Hilberth

Na, was gab' s denn zu essen? Ein Blick auf Instagram oder Facebook genügt meist, um im Bilde zu sein. Denn bevor der Mensch heutzutage zu Messer und Gabel greift, nimmt er sein Smartphone zur Hand. Um sein Essen zu fotografieren. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov machen das 61 Prozent der Deutschen, gefühlt sind es mehr, die permanent ihre Buddha Bowl, das Rindercarpaccio, das Bauernschnitzel und das Tiramisu zumindest virtuell gerne mit anderen teilen. Ein Zeitgeistphänomen, sagen Trendforscher. Aber ist das so?

Tante Käthe zumindest war ihrer Zeit weit voraus. Schon in den Siebzigerjahren, als bei Familienfesten riesig aufgetischt wurde, war es ihr ganz wichtig, die russischen Eier, den falschen Hasen und die Schinken-Mettwurst-Platte abzufotografieren. Mit den Worten "Das war unser Büfett" wurden die Bilder nach ein paar Wochen herumgereicht. Mit Polaroid ging das Herzeigen des kulinarischen Überangebots später sogar fast in Echtzeit. Inzwischen weiß man von der österreichischen Trendforscherin Hanni Rützler, dass sich Menschen über das, was sie essen, darstellen, mit den Speisen kommunizieren sie ihre Werte, Vorlieben und Orientierungsgrößen. Ob das bei Tante Käthes Käseigel auch so war? Heutzutage jedenfalls nennt man es "Foodporn", wenn man sein Essen glamourös und spektakulär in Szene setzt.

Eine Kreissparkasse in der Metropolregion München will jetzt auch etwas von diesem Kuchen abbekommen und interessiert sich offenbar sehr für die Essgewohnheiten und Kochkünste ihrer Kunden. Sie fordert sie in der Adventszeit auf, "das perfekte Gericht" anzurichten, zu fotografieren und auf der Facebook-Seite des Geldinstituts zu posten. Warum sollte man das machen? Vielleicht, weil es etwas zu gewinnen gibt. Wir verraten an dieser Stelle aber noch einen positiven Nebeneffekt: Laut eine Studie des Journal of Consumer Marketing schmeckt den meisten das Essen besser, wenn sie es vorher fotografiert haben. Könnte ein Tipp für den nächsten Kantinen- oder Mensa-Besuch sein.

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: