Mitten in der Region:Schuhe weg, Füße noch da

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Pischnass steht man in der Damenumkleide und starrt verblüfft auf die Leerstelle am Boden.  Es gibt aber keinen Zweifel: die Sandalen sind verschwunden.

Kolumne von ULRIKE STEINBACHER

Pitschnass steht man in der Damenumkleide und starrt verblüfft auf die Leerstelle am Boden. Genau dort, vor dem Spind, hatte man seine Straßenschuhe gelassen, hatte sie nicht im Schrank eingeschlossen, so wenig wie die 500 Mal zuvor, die man schon in diesem Bad schwimmen war. Mit einem entscheidenden Unterschied: Diesmal sind die Schuhe weg. Und es ist auch nicht so, dass irgendein Witzbold sie anderswo versteckt oder ganz oben auf die Schrankzeile gestellt hätte. Sie sind verschwunden. Die Putzfrau und der Bademeister helfen suchen, stellen auch noch die Herrenumkleide auf den Kopf - vergeblich. Die Frau an der Kasse durchwühlt den Fundsachen-Fundus - umsonst. Die Sandalen, vier Jahre alt und ein bisschen abgetragen, tauchen nicht mehr auf.

Also bleibt einem - begleitet vom Mitgefühl anderer Badegäste - nichts übrig, als sich barfuß auf den Heimweg zu machen. Und während die schutzlosen Füße vorsichtig einen Weg vom Schwimmbad zum Auto und von der Garage in die Wohnung suchen, erinnert man sich an den einzigen anderen Fall von Schuh-Schwund, den man je erlebt hat: Auf der anderen Seite der Erde war das, an einem recht einsamen Strand auf Neuseelands Südinsel. Das Opfer war damals der Gatte, der sich beim vermeintlich ruhigen Barfuß-Spaziergang durch den Sand wegen seiner schwarz-weißen Mütze plötzlich eines liebestollen Kormorans erwehren musste. Der Vogel verwechselte die Kopfbedeckung mit einer Artgenossin und hielt hartnäckig flatternd an diesem Irrtum fest. Und während die beiden mit ihrem Tänzchen beschäftigt waren, fand auch die Fußbekleidung des Gatten neue Freunde.

Wie damals wird man diesmal wieder losziehen und neue Sandalen kaufen müssen - ein bisschen schuldbewusst (hätte man sie halt in den Spind gesteckt) und ein bisschen zähneknirschend (wer klaut denn alte Schuhe?). Insgeheim aber überwiegt die Freude, dass der Dieb im Juli zugeschlagen hat und nicht im Dezember. Bei fünf Grad und Graupelschauern wäre der Heimweg aus dem Schwimmbad noch viel ungemütlicher gewesen.

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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