Mitten in der Region:Schlimmer geht's immer

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In dem schönen Wort Oberleitungsschaden schlummert jede Menge Potenzial - was Menschen im allgemeinen und die S2 im besonderen betrifft

Kolumne von Julian Erbersdobler

Wer länger über dieses wunderbar deutsche Wort Oberleitungsschaden nachdenkt, merkt, dass noch jede Menge Potenzial in ihm schlummert. Kennt nicht jeder von uns jemanden, der mindestens einen leichten Oberleitungsschaden hat? Zugegeben, solche Gedanken macht man sich nur, wenn man zu viel Zeit hat. Und wann hat man zu viel Zeit? Richtig, wenn man gerade an einem überfüllten Bahnhof steht und die Anzeige einem entgegenbrüllt, dass der Zugverkehr derzeit wegen eines Oberleitungsschadens "eingeschränkt" sei. Noch so ein herrliches Wort.

Und dann steht man dann da. Außentemperatur: minus elf Grad. Um einen herum sammeln sich mit der Zeit immer mehr Menschen, die auf ihren Smartphones herumwischen, als könnten sie die Züge selbst steuern. Wieder andere beginnen unvermittelt zu tanzen. Besonders Durchgefrorene summen dazu. Das ganze Set-up erinnert dann schon ein bisschen an "Holiday on Ice". Von Wartenden für Wartende. Aber was bleibt einem auch anderes übrig? Entweder frieren einem die Zehen weg oder man erträgt die verwunderten Blicke über den spontanen Tanzkurs. Ganz nach Darwin: Survival of the Fittest.

Eigentlich sollte man meinen, wer täglich mit der S 2 von München nach Erding fährt, hat schon alles erlebt. Signalstörungen können doch gar nicht mehr schrecken. Genauso wenig Verspätungen unter zehn Minuten. Selbst das ewige Warten auf den Gegenzug wird einfach weggelächelt. Nur, wenn man mal wieder in Markt Schwaben aus der S-Bahn geworfen wird, kommt Unmut auf.

Es ist doch mittlerweile so: Die S 2 ist so etwas wie der TSV 1860 München unter den S-Bahnen. Irgendwas ist immer. Und trotzdem gibt man ihr wieder und wieder eine Chance. Das geht so weit, dass man vor den Fahrten schon gar nichts mehr von ihr erwartet, und wenn sie dann doch fährt - manchmal sogar pünktlich - dann geht einem fast das Herz auf.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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