Mitten in der Region:Polarexpedition im Heizungskeller

Lesezeit: 1 min

Der Heizungsbauer ist ein begehrter Mann. Nicht nur die Handelskammer sieht das so, viele andere teilen neuerdings diese Auffassung. Ein wirklich schöner Beruf.

Kolumne von Jutta Czeguhn

Im Leben eines jeden Menschen kommt der Tag, da muss er sich fragen: "Warum hab' ich nichts Gescheites gelernt?" Heizungsinstallateur zum Beispiel. Solche Gedanken ergreifen überfallartig von einem Besitz, wenn man am nachweislich kältesten Tag des Jahres zentimetertief im gefluteten Heizungskeller steht, das Handy am Ohr, und von der Firma mit dem Wartungsvertrag versichert bekommt, dass wohl irgendwann ab 17 Uhr jemand vorbeischauen werde. Bis dahin - es könne auch gut 21 Uhr werden - sollte man vorsorglich die Sicherung und überhaupt die Gasheizung ausschalten. Für alle Fälle.

Es kostet viel, sehr viel Überwindung, diesen Schalter zu drücken. So müssen sich Polarforscher fühlen, die das warme Basislager hinter sich lassen und zur Antarktis-Durchquerung aufbrechen. Während man an die erfrorenen Zehen von Reinhold Messner denkt und Wasser schöpft, klettert eisige Kälte die Füße und das verzagte Herz empor. In Grönland kann es jetzt auch nicht unwirtlicher sein als in diesem klammen Keller. Schon wähnt man Packeisschollen auf dem trüben Wasser tanzen.

So vergehen die Stunden, man trinkt Tee, viel Tee, verwandelt sich zur formlosen Matroschka-Puppe mit immer mehr Schichten Kleidung am Körper. Vom Heizungsbauer hört man nur den Anrufbeantworterspruch. Laut Handwerkskammer für München und Oberbayern hat der Mann einen Mangelberuf. Das Jobcenter geht in dieser Branche mit zig offenen Stellen hausieren, die Bundesagentur für Arbeit setzt diese Tätigkeit nach ihren routinemäßigen Fachkräfteengpassanalysen stets auf ihre sogenannte Whitelist. Und wir hoffen, dass es endlich an der Tür läutet. Um 18.30 Uhr ist es soweit. Längst kann man im Haus den eigenen Atem sehen. Der Problemlöser verschwindet im Keller, hantiert an Schläuchen und bittet um eine große Wäschewanne. Der Kondensatabfluss sei eingefroren, deshalb müsse man das Kondenswasser halt in der Wanne auffangen. Wie lange das so gehen soll, will man vom Handwerker wissen. Der verabschiedet sich zügig mit der Botschaft: "Na, bis es taut!"

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: