Mitten in der Region:Navi mit Charme

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Europa ist gut, die Vielfalt der Dialekte hat dabei ihre Berechtigung und einen eigenen Reiz. Wer hätte aber gedacht, dass bei aller Völkerverständigung heutzutage ausgerechnet Maschinen diesen Grundsatz maximal ausreizen?

Kolumne von Claudia Koestler

Für diese Feststellung muss man gar nicht weit ausholen: Es genügt, sich umzusehen auf der Welt, um die Einigkeit Europas als große Errungenschaft zu erkennen. Und ja, es ist auch gar nicht lange her, dass vor allem die Gemeinsamkeiten allerorten wohlmeinend beschworen wurden, schließlich galt es Ende Mai, das Europaparlament zu wählen. Doch Gemeinsamkeiten haben eben auch ihre Grenzen, und das ist im europäischen Falle auch gut so, schließlich hat jedes Volk, jede Kultur, jede Sprache, auch jeder Dialekt seine berechtigten Eigenheiten, und erst diese Vielfalt macht den Reiz aus. Wer hätte aber gedacht, dass bei aller Völkerverständigung heutzutage ausgerechnet Maschinen diesen Grundsatz maximal ausreizen?

Es war jedenfalls überraschend, dass das frisch gekaufte Navigationsgerät einen kürzlich zwar problemlos vom Landkreis bis ins westliche Nachbarland lotsen konnte, sich aber dort weigerte, sich anzupassen und die örtlichen Namen so auszusprechen, wie sie in Frankreich eben klingen. Das Navi blieb beharrlich seiner Sprache, besser gesagt seiner deutschen und etwas nüchtern-roboterhaften Aussprache treu. Was mal in lustigen Suchspielen endete, mal zu Lachanfällen bei den Mitreisenden führte: Denn wer findet schon einen Boulevard Alexandre III, den das Gerät nicht als solchen benennt, sondern als "Alexandre i-i-i"? Das hatte etwas von Kinderreim und Hahnenschrei. Das dahingeholperte "I-i-i" löste jedenfalls erst Verwunderung, später ein - man ahnt es - "Hihihi" bei den so Gelotsten aus. Eine andere Straße klang da schon eher wie eine Beschimpfung: "Avenue du Ponant". Getoppt wurde die maschinelle Spracheigenheit nur von der Strandpromenade, der "Promenade de la Plage", wobei "Plage" eben nicht französisch elegant "Plaasch" aus dem Gerät erklang, sondern wie die deutsche Plage. Wer weiß, vielleicht waren ja tatsächlich schon zu viele Touristen dort.

Das wiederum bringt doch eine Idee mit sich: Umgekehrt könnte vielleicht ein französisches Navigationsgerät in Zukunft ein wenig frankophilen Charme in den täglichen Arbeitsweg bringen. Etwa, wenn man statt nach "Wartenberg" nach "Wardenbergiesch" fahren würde, oder nach "Örding" statt Erding. Wer allerdings in Pastetten lebt, muss sowieso mit der Verwechslung mit dem kulinarischen Leckerbissen Pastete leben - die vermutlich um 1000 in Frankreich aufkamen. Es leben die Unterschiede Europas.

© SZ vom 15.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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