Mitten in der Region:Mehr Läuse, mehr Parkplätze

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Betörend, schwer und süß durchdringen die Lindenblüten die Luft. Problematisch wird's allerdings, wenn des Deutschen liebstes Kind ins Spiel kommt: das Auto

Von Berthold Neff

Es duftet betörend, schwer und süß durchdringen die Lindenblüten die Luft. Und dann werden einem auf dem Heimweg plötzlich die Füße schwer, gerade so, als müsste man schon wieder einen Sieg bringenden Elfmeter verwandeln. Was ist denn da los, wieso bleibt man plötzlich an der Erde kleben?

Die Blattläuse sind's. Sie fallen wie jedes Jahr über die Bäume her und bohren sich mit ihren Saugrüsseln ins Grün, zum süßen Saft. Oft tun sie das als Leibeigene der Ameisen, die ihnen diesen Honigtau postwendend abnehmen, die Läuse also gnadenlos melken. Als Dank dafür schützen sie die Läuse vor deren natürlichen Feinden, vor den Larven des Marienkäfers zum Beispiel. Dieses Wechselspiel zwischen einem Lebewesen, das Nahrung anbietet, und einem anderen Geschöpf, das diese Ausscheidung gerne aufnimmt und sich dann als Schutzmacht erkenntlich zeigt, nennt der Wissenschaftler Trophobiose.

Problematisch wird's allerdings, wenn des Deutschen liebstes Kind ins Spiel kommt. Die Sache ist nämlich die: Wenn die Sonne diesen süßen Schmierfilm in den Autolack brennt, sind schwere Schäden unausweichlich. Rettung ist nur noch durch sofortiges Eintauchen in die Waschstraße möglich, in dem auch der beizende, allgegenwärtige Vogelkot umgehend neutralisiert werden sollte. Bis die findigen Automobilhersteller eine Lösung parat haben, die den Lack gegen solche Attacken immunisiert, eröffnen sich den Anwohnern ungeahnte Chancen. Sie könnten ihre Parkplätze unter den Linden vorübergehend großzügig den Auswärtigen überlassen. Wenn deren Karossen dann durch den Blattlaus-Beschiss weitgehend ruiniert sind, hält dort keiner mehr. Dann schlägt die Stunde der Einheimischen. Denn haben die Blattläuse das Zeitliche gesegnet und nichts tropft mehr, findet jeder bequem seinen Parkplatz unter den Linden. Bis zum nächsten Juli.

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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