Mitten in der Region:Letzter Ausweg Polizei

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Die Beamten sperren nicht nur ein, sondern auch auf. Zum Beispiel wenn ein Mieter von seiner Vermieterin aus Versehen eingesperrt wird

Kolumne von Viktoria Großmann

Der Mensch ist sich selbst ein Rätsel. Denn er hat ein Unterbewusstsein. Dieses führt ein vom Oberbewusstsein weitgehend isoliertes Dasein und ist, wenn es gut läuft, dazu da, Dinge in aller Stille zu erledigen, die wir ohnehin noch erledigt haben wollten. Atmen, nicht vom Stuhl fallen. Auto und Wohnung absperren. Aber auch dem Unterbewusstsein wird es mal zuviel. Dann tut es Dinge, die Quatsch sind. Das Oberbewusstsein sagt dann (und manchmal wird das Unterbewusstsein dabei rot): Das war ich nicht, dafür kann ich nichts, daran kann ich mich nicht erinnern. Und dann zeigt es streng auf das Unterbewusstsein.

Dieses ließ am Montagabend eine Vermieterin einen Schlüssel an einer Wohnungstür in der Region umdrehen. Das war soweit richtig. Tür, Schloss, Schlüssel ist die Formel für Zusperren. Danach gingen bei der Frau gleich beide Bewusstseins in den Feierabend. Denn sie ließ erstens den Schlüssel stecken. Und zweitens vergaß sie, dass sich in der Wohnung ihr Mieter befand. Diesen hatte sie besucht, um einen Wasserschaden zu begutachten. Nach ihrem Kopf schaltete sie auch ihr Handy aus und ließ den Mieter mit seinem Wasserschaden sehr alleine.

Ausgehen konnte der 30-Jährige also an dem Abend nicht mehr. Ihm fiel aber auch in einer möglicherweise schlaflosen Nacht keine Fluchtmöglichkeit ein. Der Ausstieg aus dem Fenster erschien ihm aufgrund der Lage im Obergeschoss als zu gewagt. Er rief also die Polizei an. Diese berichtet, dass der Mann zunächst darum bat, ihn nicht auszulachen. Weiter erklärte er, unter anderen Umständen würde er noch ein bisschen in seiner Wohnung ausharren, aber er müsse jetzt wirklich los. Dringender Termin. Ausgerechnet. Natürlich lacht die Polizei nicht über Menschen in misslicher Lage. Mit ernster Miene rückte sie an. Die Haustür ging zum Glück per Türöffner auf. Alles andere, so schreibt die Polizei, "lief dann wie geschmiert". Sie mussten nur den Schlüssel umdrehen. Der Polizeibericht verrät echtes Mitgefühl. Natürlich, so schreibt der Polizeisprecher, war niemand zu erreichen. Weder Vermieterin noch Nachbarn noch irgendwer. Nur die Polizei. Die ist immer zu erreichen. Und sie sperrt nicht nur ein. Sie kann auch befreien.

© SZ vom 15.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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