Mitten in der Region:In fünf Tagen zum Eigenheim

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Als Bauherr muss man jede Menge Auflagen und Vorschriften beachten. Außer man ist eine Amsel

Kolumne von Berthold Neff

Bei uns Menschen ist es ja mittlerweile so, dass einem beim Bauen ständig Steine in den Weg gelegt werden. Schon wenn man sich arglos ein Luftschloss ausmalt, mutiert der Nachbar zum Wutbürger und alarmiert vorsichtshalber seine Rechtsschutzversicherung. Wer es wagt, das Maß künftiger Nutzung auf dem Weg einer Bauvoranfrage auszuloten, steht so wie die VW-Chefs praktisch mit einem Bein im Gefängnis, allerdings bei geringerer Entlohnung.

Das Bauen selbst wird einem dann durch eine Vielzahl von Auflagen erschwert. Man braucht einen dicken Batzen Geld und einen Architekten, der es sich mit der Bauverwaltung noch nicht verdorben hat, außerdem Maurer und Poliere, deren Papiere in Ordnung sind, sonst hat man die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls am Hals, die auf pünktlicher Entrichtung der Abgaben für die Sozialversicherung pocht.

Die Amsel hat es besser. Wenn sie beschließt, sich ein Domizil zu bauen, schnabelt niemand mit. Alles, was sie für ihr Nest braucht, besorgt sie sich zum Nulltarif aus der Natur. Zweige, Halme und Moos bilden dessen Fundament, das dann, sobald es regnet, mit feuchter Erde ausgehärtet wird. Sie lässt es, ohne im einschlägigen DIN-Handbuch nachzuschlagen, bis zu 24 Stunden trocknen und setzt dem Ganzen dann mit dünnem Gras und Blättern die Krone auf. Lediglich fünf Tage vergehen von der Grundsteinlegung bis zum Einzug. Man sollte fairerweise hinzufügen, dass Amseln generell ohne die Hilfe von Kränen auskommen. Das Baumaterial schleppen die 100 Gramm leichten und 20 Zentimeter großen Bauarbeiter in ihrem Schnabel nach oben, bis zu einer Höhe, die dem Gardemaß von Dirk Nowitzki entspricht. Um eine vergleichbare Leistung zu erreichen, müssten wir Menschen alles Baumaterial an die 40 Meter nach oben hieven. Das geht auch beim Einrichten schwer ins Kreuz, wenn man sich mit dem Springboxbett die Treppen in den 15. Stock hochquält. Uff, jetzt das Fenster aufgerissen, damit der Schweiß trocknet - und dann wird der Mensch belohnt. Das Amselmännchen singt heute besonders laut.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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