Mitten in der Region:Immer der Nase nach

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Manchmal wäre es besser, wenn der Geruchssinn weniger gut ausgebildet wäre

Von Carolin Fries

Der Geruchssinn ist bekanntlich dafür verantwortlich, dass es den Menschen überhaupt gibt. Zumindest mitverantwortlich. Könnten sich Menschen gegenseitig nicht riechen, dann gäbe es wohl keine Kinder. Und diese wiederum erschnuppern sich in ihren ersten Lebenswochen den Weg zur Mutterbrust. Doch das olfaktorische System kann noch viel mehr als Grundsätzliches: Es hilft dabei, die Menschen glücklich zu machen. Diesen Schluss zumindest lässt so manche Autofahrt zu.

Nein, dem Herren am Steuer auf der Nebenspur stieg nicht der Duft einer frischen Leberkäs-Semmel in die Nase. Auch hielt er weder einen Becher frisch gebrühten Kaffees in der Hand oder ein duftendes Croissant. An seinem Rückspiegel baumelte lediglich ein Wunderbaum, die Plastikverpackung lieblos aufgerissen. Diese Dinger sind wie Parfümproben aus der Drogerie, sie spenden einen Duft, er sich wiederum über unangenehme Gerüche legen soll. Es gibt verschiedene Duftsorten, von Echtleder über Pfirsich bis grüner Apfel. Hierzulande besonders beliebt sind Vanille und Sportfrische. Auf dem mit Duftstoffen getränkten Pappkarton im Nachbarauto war indes "New car" vermerkt. Das Auto freilich war eher ein "old car".

Mal abgesehen davon, dass neue Autos nicht duften: Der Fahrer schien entspannt. Vielleicht ist es ihm egal, dass der Fensterheber hinten links kaputt ist, der Kofferraum-Deckel klemmt und die Klimaanlage schon vor Jahren ihren Geist aufgegeben hat. Von den sichtbaren Rostspuren einmal ganz abgesehen. Wenn er in sein Auto steigt, dann fühlt es sich immer an, als wäre der Schlitten nagelneu. Im tiefsten Inneren wird er freilich wissen, dass er sich selbst belügt und irgendwann ein neues Auto her muss. Aber was soll's, es lebe der Moment! Andere schnüffeln verbotenes Zeug, ihm reicht eine Duftmischung aus Leder und Kunststoff zum Glück.

Zerstrittenen Eheleuten könnte man "Fresh Love" ins Schlafzimmer hängen, den gestressten Familien schlicht "Harmony" an den Esstisch - und so manchem Sitzungssaal in den Rathäusern des Landkreises täte eine Prise "Peace" ganz gut. Für das Glück gilt dann die Devise "Immer der Nase nach".

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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