Mitten in der Region:Home-Office dahoam

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Eigentlich steht einem Arbeitstag nichts im Wege, und doch fühlt sich das Ganze unwirklich an

Kolumne von Regina Bluhme

Jetzt also Home-Office. Der Laptop auf dem Tisch in der Wohnzimmerecke ist verkabelt und die Whatsapp-Gruppe mit den Kollegen eingerichtet. Eigentlich steht einem Arbeitstag nichts im Wege, und doch fühlt sich das Ganze unwirklich an. Keine Fahrt ins Büro, kein mit Unterlagen und Blöcken überquellender grauer Bürotisch, keine Kollegen für eine kurze Beratung - die Schreiberin dieser Zeilen fühlt sich ehrlich gesagt ziemlich irritiert, auch angesichts der beiden Töchter, die immer wieder im Zimmer erscheinen. Die Ältere hat Uni-Zwangsferien und beschlossen, das Mittagessen zu zaubern. Die Küchentür hat sie schon mal mit einem lauten Rumms zugeknallt. Sehr schön, dann hat Mutter Ruhe für die Recherche. Eine kleine Wahlnachlese bei Lokalpolitiker Herrn H. soll es werden. Zuvor erst mal ein paar Infos googeln. Rumms geht die Küchentür auf. "Wo ist denn diese kleine weiße Schüssel?", will die Tochter wissen. "Schrank ganz links, ganz oben". Rumms geht die Tür wieder zu. Mutter googelt, Tochter öffnet eine Schranktür nach der anderen und haut sie wieder zu. Gerade will Mutter zum Telefon greifen, da geht Küchentür wieder auf. Tochter findet die Schüssel nicht. Mutter steht auf, geht in die Küche, öffnet den Schrank ganz links, überreicht die Schüssel von ganz oben und verlässt die Küche. Gerade als die Telefonnummer eingetippt und sich Herr H. meldet, klingelt es an der Tür. Tochter eins steht taub in der von der Dunstabzughaube zugedröhnten Küche, Tochter zwei hört in ihrem Zimmer offensichtlich mit Kopfhörer Musik. Also wird Herr H. kurz auf einen baldigen Rückruf vertröstet. An der Tür nimmt die Heimwerkerin ein Paket für die Nachbarin entgegen. Nach diesem Kontakt sollte sie besser noch schnell die Hände abwaschen, bevor es wieder an den Schreibtisch geht - doch die Badezimmertür ist versperrt, weil Tochter zwei jetzt duschen muss. Auf lautes Klopfen reagiert sie widerwillig, gewährt aber Einlass. Endlich auf dem Weg zum Schreibtisch, fällt der Home-Office-Workerin die breite Staubschicht auf dem Bücherregal neben dem Tisch ins Auge. Und da: Von der Zimmerecke bis zum Regal spannt sich ein ewig langer Faden, ach was: ein Seil, eines Spinnennetzes. Das muss weg, so kann doch kein Mensch arbeiten! Mithilfe einer eingerollten Zeitung vom Vortag wird die Sache erledigt. So jetzt aber: Erneuter Anruf bei Herrn H. Gutes Gespräch. Die ersten Sätze für den Artikel fließen jetzt nur so auf der Tastatur dahin. Rumms öffnet sich die Küchentür: "Essen ist fertig!" Was soll's. Eine Stärkung ist jetzt bitter nötig.

© SZ vom 28.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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