Mitten in der Region:Finger weg vom Campingtisch

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Es gibt Momente im Leben, da will man Ballast abwerfen. Sich von allerlei Gerümpel befreien, doch was macht man mit den geliebten Büchern? Schwierige Frage

Kolumne von Sonja Niesmann

Es gibt Momente im Leben, da will man Ballast abwerfen. Sich von allerlei Gerümpel befreien, das sich Jahre, ach, über Jahrzehnte angesammelt hat. Aber Bücher sind eben kein "Gerümpel", man kann und will sie nicht einfach in der Papiertonne versenken. Man könnte sie natürlich zu einer Wohlfahrtsorganisation bringen, der Stadtbücherei spenden, sie in einem dieser neuen öffentlichen Bücherschränke deponieren oder online verkaufen.

Aber es gibt noch eine andere, weniger aufwendige Methode, eine Art Dauer-Flohmarkt: eine Kiste befüllen, die man auf den Campingtisch vor der Haustür stellt. Einem schon etwas wackeligen, schäbigen Trumm, das man aber ins Herz geschlossen hat, weil er schon so viele schöne Urlaube mitgemacht hat. Das Schild "Bücher zum Mitnehmen" wirkt Wunder. Die wenigen Passanten in der eher ruhigen Wohnstraße greifen beherzt zu, schon nach einigen Stunden sind große Lücken in der Kiste - Platz für Nachschub! Besonders entzückend: Die Nachbarin von gegenüber, selbst eine Verhökerin von Büchern und allerlei Ramsch, schleicht gelegentlich herüber und nimmt das eine oder andere Buch mit. Einmal findet man sogar im Briefkasten eine Ein-Euro-Münze - wohl kein Gruß vom Postboten, eher eine freundliche Spende fürs Bücher-Verschenken?

Dann eines Morgens, kaum stand die frisch gefüllte Kiste, eine dieser überaus praktischen, zusammenfaltbaren Plastikkisten, eine halbe Stunde draußen, ist alles weg. Alle Bücher. Samt Kiste. Nach einer Weile der Verblüffung und des Stirnrunzelns ein neuer Anlauf mit neuem Pappdeckelschild: "Bücher zum Mitnehmen, die Kiste aber BITTE stehen lassen." Das klappt eine Zeit lang gut, viele Bücher finden neue Besitzer. Eines Abends aber, als die Bücher bis in die Dunkelheit hinein vor der Gartentür auf neue Leser warteten, steht die Kiste verlassen am Boden - der Campingtisch ist weg.

Also ehrlich, hätte man wirklich unmissverständlich auf den Pappdeckel schreiben müssen: Die Kiste UND den Tisch bitte stehen lassen? Hätte man das Schild gar beleuchten müssen? Oder gibt es einfach Menschen, die keinerlei Ehrgefühl im Leib haben?

© SZ vom 23.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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