Mitten in der Region:Ein Suppenhuhn, bitte

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Wenn man von seiner Frau zum Markt geschickt wird, sollte man nicht auf andere Frauen hören...

Kolumne von Andrea Schlaier

Vor dem Fotoautomaten auf ein Foto warten; dann käme ein Foto mit einem anderen Gesicht heraus - so finge eine Geschichte an." Die Sequenz von Pezter Handke funktioniert wie ein sachter Rempler, der einen mitten im Alltag um die zuweilen tranige Selbstvergessenheit bringt, zum Beispiel beim saumseligen Anstehen für was auch immer. Unerwartet beginnt sich dann eine Geschichte auf den Weg zu machen. Manchmal nur im eigenen Kopf. Manchmal auch vor aller Ohren.

So wie auf dem kleinen Bauernmarkt mitten in Obermenzing, wo freitags der Obsthändler vom Bodensee die Holzkisten mit seinen Äpfeln ein paar Meter neben dem Gemüse der Damen aus Hallbergmoos feilbietet. Hier windet sich, wie jeden Freitag, eine lange Schlange. Ein Herr in den besten Jahren ist an der Reihe, locker geschnittenes beige-grün kariertes Beinkleid, wie es das mittlere Management in den 1980er Jahren trug, darüber tannengrünes Jackett.

"Mmmh", grübelt er. "Was nehm' ich denn?" Die Händlerin wartet. "Lauch", sagt die hinter dem grau melierten Herrn anstehende Dame mit dem silberweißen Kurzhaar bestimmt. Die Gemüsefrau stutzt, blickt vom einen zur andern. "Ja, wenn Sie das sagen, dann nehm' ich Lauch", fügt sich der Senior nicht ohne Erleichterung. "Und außerdem?" "Ich empfehle Ihnen drei bis fünf Karotten", fährt die Frau in seinem Rücken fort, die ihn um Haupteslänge überragt. Er - nickt. Die Gärtnerin bestückt die Waage. "Dann noch eine Petersilienwurzel und einen Bund Petersilie", meldet sich erneut die Fachfrau aus dem Hintergrund zu Wort.

Langsam zieht der Herr einen weißen Zettel aus der Jacke und faltet ihn auf. Mit Bleistift hat jemand fein säuberlich zwei Wörter notiert. Der Lesende blickt auf und meldet: "Meine Frau hat davon nichts aufgeschrieben. Aber ich nehm' das alles." Jetzt wankt die Verkäuferin: "Sicher?" - "Sicher!" "Und für mich packen Sie genau dasselbe ein", schallt's von der Protagonistin aus Reihe zwei. "Ich brauch's auch für ein Suppenhuhn. Wie der Herr. Der hat nämlich auf meinen Rat hin vorher am anderen Stand eins gekauft." Stolzer Blick. "Weiß seine Frau auch noch nicht." Der Senior im karierten Beinkleid macht sich mit freundlichem Gruß auf den Nachhauseweg. Die Gemüsefrau bricht endgültig in hemmungsloses Lachen aus: "Die Frau werd' schaung, wenn der hoamkimmt!"

© SZ vom 11.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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