Mitten in der Region:Digitale Immigranten

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Orthografie-Kenntnisse sind nicht nur schicklich, sondern mitunter viel Geld wert

Kolumne von Felicitas Amler

Ein Inkasso-Service verlangt ultimativ nach Bezahlung. 239,89 Euro seien aufgelaufen, heißt es in dem scheinbar so formvollendeten Schreiben. . . . trotz zahlreicher Mahnungen . . . Kosten und Zinsen weiter erhöht . . . keine andere Möglichkeit . . . Verpfän dung . . . Anlage: Vollstreckungsbescheid. Solche Worte sehen häufig für ältere Menschen noch bedrohlicher aus, als sie sein mögen. Viele bekommen unter diesem Druck Angst, auch wenn sie keine Ahnung haben, was sich da eigentlich zu solchen Kosten summiert haben soll. Nicht wenige zahlen dann. An einen völlig unbekannten Empfänger, dessen IBAN zum Beispiel mit BE beginnt, was auf ein Konto in Belgien hinweist. Auch das macht manche, die vermutlich nie im Leben etwas in Belgien gekauft oder bestellt haben, noch nicht stutzig. Die Betrüger rechneten mit "einer gewissen Blauäugigkeit" der meist älteren Adressaten, erklärt ein Sprecher der Geretsrieder Polizei.

Da kann man sich freilich manchmal sehr täuschen. Gerade hat eine 69 Jahre alte Rentnerin bewiesen, dass die Betrugsmasche auch für Seniorinnen durchschaubar ist. Auf den ersten Blick. Der angebliche Absender des Inkasso-Bescheids ist Berlin, die Telefonnummer aber, so hat die ältere Dame sofort entdeckt, beginnt mit 0044: "Das ist doch Ausland!" Und die vielen Fehler im Text, die falschen Kommata . . . Die gewitzte Frau zahlte keinen Cent, sondern wandte sich an die Polizei und die Lokalzeitungen. Und von wegen Berührungsängste mit den neuen Medien. Sie schrieb per E-Mail und hängte selbst aufgenommene Fotos der Drohbriefe und Screenshots aus dem Internet an. Die alten Herrschaften mögen keine Digital Natives sein, aber als Digital Immigrants machen manche von ihnen gar keine schlechte Figur.

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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