Mitten in der Region:Die Schlacht um Schulhefte

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Alle Jahre wieder: Kinder und Eltern wühlen sich in Schreibwarenläden verzweifelt durch das Angebot

Von Eva Zimmerhof

Müde Augen schicken wirre Blicke in die Regale. Dann ein Schubser von der Seite, und die Sicht auf die Heftstapel verwackelt: Kariertes und liniertes Papier, Seitenrand, umlaufender Rand, Lineaturen eins und zwei, unzählige Heftnummern, scheinbar ohne jeden Sinn. Der Spiralblock war doch eben noch da! Die Drängler meinen es nicht so, sind sie doch selbst alle in der Welt der Materialliste gefangen.

"Das ist deine Hausaufgabe", hat das Kind am späten Nachmittag gesagt. Der erste Schultag der Kinder bringt den Eltern eine Materialliste (eine Doppelseite) ein, die bitte so schnell wie möglich abgehakt werden soll. Am Ende des Tages also noch mal in den Schreibwarenladen: Die Gänge sind überfüllt, zwischen umherirrenden Eltern und Schülern kann man keinen Meter geradeaus sehen. Enormes Glück hat, wer einen der neongelben Engel erwischt. Natürlich haben nur ihre Westen diese Farbe, aber es ist das einzige, was in diesem Gewühl optisch hervorsticht. Gesichter sind gleich wieder vergessen. Ziemlich ungerecht, denn dies ist für die Verkäuferinnen wohl der härteste Arbeitstag im Jahr.

Unklar ist, warum manche Lehrer ihre Liste bereits vor den Sommerferien verteilen und andere nicht. Vor allem die Kinder, die neu an eine Schule kommen, dürfen sich erst in allerletzter Minute zu den Eingeweihten zählen. Vielleicht fürchten die Schulen während der Sommerferien sonst Zankereien um die nettesten Lehrer. So hängen erst einen Tag vor Schulbeginn Klassenlisten in der Aula aus (ohne Materialliste daneben).

Der Neonengel führt die Verzweifelte geduldig von Heft, zu Ordner bis zu den Schwämmchen, die für das Malen mit Wasserfarben gedacht sind. Die sind leider ausverkauft, aber da tut es auch ein Stück Spülschwamm. Wer spät dran ist, muss kreativ sein. Weil auch kein hellblauer Umschlag mehr da war, steht auf dem Heft des Kindes jetzt das Wort "HELLBLAU", auf einem weiteren steht "GRÜN". Vielleicht zählt das ja. Mehr als 60 Euro sind schon ausgegeben, und nicht einmal etwas Süßes als Belohnung gibt es nach dieser Schlacht um Papier und Stifte: In den Süßwaren-Regalen des Supermarktes liegen nur noch zerknautschte Pappkartons. Glücklich sind die, die eine Schultüte haben.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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