Mitten in der Region:Die Kunst des Schwebens

Eine sprachliche Entgleisung im Buchladen führt zu einer besonderen Begegnung

Von Kerstin Vogel

Neulich in einer Buchhandlung. Ein Typ kommt rein, weil er ein Buch bestellt hat und es abholen will. Beim Bezahlen fragt er die Buchhändlerin, ob sie ihm das Buch als Geschenk einpacken könne. Die Frau ist nett, sagt Ja und zeigt dem Typen ein zweifarbiges Geschenkpapier. Ob er lieber die hellblaue oder die dunkelblaue Seite außen haben wolle, fragt sie ihn, worauf der Typ, wie so Typen halt manchmal sind, sagt: "Das ist mir scheißegal!" - und sich dem übrigen Sortiment im Laden zuwendet.

Normalerweise wäre die Geschichte hier wohl zu Ende, nicht aber in diesem Fall, weil der Typ, anders als so Typen meistens sind, seine sprachliche Entgleisung sogleich bemerkt und sich bei der Frau entschuldigt: "Das war sehr unhöflich von mir, so etwas sagt man nicht!"

Die Buchhändlerin wiederum hat offenbar nicht nur gelernt, wie man Bücher einpackt, sondern auch wie man mit großer Gelassenheit und Sanftmut durchs Leben geht. Ohne ihre Einpacktätigkeit zu unterbrechen, fragt sie den Typen freundlich: "Wofür entschuldigen Sie sich? Ich habe Sie sagen hören, ich danke Ihnen, dass Sie mir die Auswahl der Farbe überlassen, fühle mich aber damit überfordert und freue mich, dass Sie das für mich übernehmen."

Überliefert ist, dass der Typ danach irgendwie aus dem Laden geschwebt ist, die Sonne draußen heller schien und die Leute alle freundlicher lächelten . . .

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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