Mitten in der Region:Die Flucht vor den Helfern

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Wie kommt man an lächelnden Menschen mit Bildern von Robbenbabys vorbei? Vier Lösungsvorschläge

Von Johannes Korsche

Wer kennt das nicht: Man geht die Straße entlang, hat es eilig und von weitem sieht man junge Menschen, die einem freundlich zuwinken. Beim Näherkommen erkennt man schließlich einen Stand mit dem Logo einer Hilfsorganisation. Einfach weiterzugehen, ist da nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch schlicht unhöflich gegenüber den freundlich Lächelnden.

Andererseits: Wer die angekündigten "zwei Minuten" stehen bleibt, verbringt die nächste Viertelstunde mit einer Bildermappe. Zu sehen sind darin, je nach Hilfsorganisation, qualvoll verendete Robbenbabys oder gerodete Flächen des Regenwaldes. Dafür sollte man doch immer Zeit und Geld übrig haben, oder nicht? Aber die Zeit drängt, die S-Bahn fährt gleich, zur Arbeit oder zum Arzttermin kommt man ohnehin schon zu spät.

Was also tun, wenn man einfach keine Zeit hat? Im Wesentlichen haben sich vier Strategien herauskristallisiert: Da ist zum Beispiel der "Slalomläufer". Er zeigt seinen Stress ganz offen. Im Jagdgalopp meistert er den Slalom durch die Winkenden - nichts kann ihn auf seinem Weg aufhalten. Der Blick ist dabei schuldbewusst auf den Boden gerichtet. Der "Straßenseite-Wechsler" scheut die Konfrontation mit den Winkenden. Er stürzt sich auf die Straße, ungeachtet der Autos, die ihn hupend an die Verkehrsregeln erinnern. Hauptsache weg, das Überleben ist plötzlich zweitrangig. Mit Kopfhörern verkabelt und musikbeschallt, spurtet der "Musiker" an den Lächelnden vorbei. Wenn diese schon nicht mehr damit gerechnet haben, hebt er die Kopfhörermuschel kurz an, öffnet seine Klangwelt für Umweltgeräusche, um sie schnell wieder zu schließen. War da was?

Der "Telefonierer" sucht den Blickkontakt mit den Winkenden, zuckt entschuldigend mit den Schultern und deutet mit dem Finger auf sein Handy: Sorry, wichtiges Telefonat. Nur dumm, wenn das Handy im Vorbeigehen klingelt. Zu Hause angekommen, plagt ihn sein schlechtes Gewissen. Dann kommt er an einer Spende vielleicht doch nicht vorbei.

© SZ vom 02.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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