Mitten in der Region:Der fiese Biss des toten Hechts

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Altes Gärtnerwissen ist unbezahlbar - oder gefährlich?

Kolumne von Ingrid Hügenell

Gartenarbeit gilt gemeinhin als gesunde, entspannende Tätigkeit. Bewegung an frischer Luft, meditatives Jäten, so was. Aber im Garten lauern auch Gefahren: scharfe Scheren, alte Leitern. Unsere Freundin L. hat einen insektenfreundlichen Garten. Das habe, sagt sie, den Nachteil, dass einem beim Jäten dauernd die Insekten ins Gesicht flögen. Manche stechen. Aber im Garten lauern noch andere Gefahren. Neulich ist L. von einem Hecht gebissen worden. Von einem toten Hecht. L. hat einen Gartenteich, eher eine Pfütze. Darin war der Hecht aber nicht. Er kam als Experiment in den Garten.

L. hat vor Jahren ein Buch geschenkt bekommen: "Altes Gärtnerwissen". Darin fand sie den Tipp, die Tomaten zu düngen, indem man unten in den Pflanzkasten einen toten Süßwasserfisch legt. Seltsame Idee, aber gut, wenn die Alten das so gemacht haben. Der Tomatenfisch wurde nie ganz vergessen. Die Idee lebte auf, als im vorigen Herbst L. von einem befreundeten Angler einen tiefgefrorenen Hecht geschenkt bekam. Aus dem Fleisch wurden Hechtklößchen. Die nicht essbaren Reste fror sie wieder ein, und im Mai, als es Zeit wurde, die Tomaten zu pflanzen, taute sie sie abermals auf. Flossen, Gräte und Schwanz waren schnell in einem großen Pflanztrog platziert, zu Füßen von drei hübschen Tomatenstauden.

Der große Kopf mit den Augen, die immer noch wachsam blickten, sollte im Hochbeet als Futter für eine Wildtomatenstaude dienen. Weil das Hechthaupt riesig war, wollte L. es teilen. Und damit die Gartenhandschuhe hinterher nicht nach Fisch stinken, zog sie sie aus. Umsichtig, aber unklug.

Dann fasste sie dem zweimal gefrorenen und aufgetauten Raubfisch ins Maul und zog. Schwerer Fehler. Die Zähne, noch immer messerscharf, drangen in beide Daumen ein. Es hat sehr stark geblutet. (L. sagt, "wie die Sau", aber das kann man kaum in der Zeitung schreiben). Die Naturgärtnerin weiß jetzt, was Angler immer schon wissen: Hechten soll man nicht ins Maul fassen, weder lebenden noch toten. Ob die Tomaten wirklich besser wachsen? Bestimmt. Wenn der Hecht nicht an den Wurzeln knabbert.

© SZ vom 04.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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