Mitten in der Region:Das Recht auf Weihnachtskitsch

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Überall Gebimmel und Geglitzer, es ist eine anstrengende Zeit. Ohne Toleranz geht gar nichts. Und wo die endet, hilft der Gesetzgeber

Kolumne von Marie Groppenbächer

Es weihnachtet sehr - ob man will oder nicht. Sich dem zu entziehen, könnte schwierig werden. Wo man hinsieht, funkeln und blinken Sterne, Weihnachtsmänner, Rentiere und Engel in den Straßen. Da muss man die Augen schon ganz fest zukneifen, und dann hört man immer noch Wham singen.

In Amerika oder Australien wundert sich keiner mehr über Straßenzüge, die um diese Jahreszeit auch bei Nacht taghell erstrahlen. Dort bricht jedes Jahr ein regelrechter Wettbewerb aus. 2013 schaffte es Familie Richards aus Canberra mit 502 165 Weihnachtslichtern an ihrem Haus ins Guinnessbuch der Rekorde. Ihre Stromkosten beliefen sich in diesem Dezember auf 1700 Euro. Doch auch hierzulande fühlen sich immer mehr Bewohner bemüßigt, Nachbarn und Passanten an ihrer Lichterpracht teilhaben zu lassen. Nicht selten enden solche LED-Exzesse in Rechtsstreiten. Vermieter nutzen die Weihnachtsdekoration als Vorwand für eine vorzeitige Kündigung.

Wer jetzt einen Schreck bekommen hat und sich an Heiligabend in tiefschwarzer Nacht auf der Straße sitzend wähnt, kann durchatmen. "Das Aufhängen elektronischer Lichtelemente gehört zur vorweihnachtlichen Tradition", so entschied das Landgericht Berlin 2012 zugunsten eines Mieters. Auch der Münchner Mieterverein unterrichtet die Mieter über ihre Dekorationsrechte. Wie viel Kitsch er in den eigenen vier Wänden haben möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Soll der Weihnachtsschmuck jedoch außen hängen, müssen Mieter drei Dinge beachten: Lichterketten und Leuchtskulpturen sollten so befestigt werden, dass sie auch bei Schneesturm nicht von den Dächern fliegen. Wer zur ordnungsgemäßen Anbringung in die Hauswand bohren möchte, ist gut beraten, seine Vermieter vorab um Erlaubnis zu bitten. Und zwischen 22 und 6 Uhr gilt Nachtruhe, auch für leuchtende Weihnachtsmänner.

Lichterfeste gibt es in fast allen Kulturen und Religionen. Juden feiern seit vergangenem Sonntag Chanukka. Zum Lichterfest wird es, weil an acht aufeinander folgenden Tagen eine Kerze angezündet wird und an die Einweihung des zweiten Tempels in Jerusalem 164 vor Christus gedacht wird. Dass auch Weihnachten von Lichtern begleitet wird, ist nicht ganz unpassend. Immerhin bezeichnet sich Jesus Christus im Johannesevangelium selbst als "Licht der Welt". Mit ein bisschen Rücksicht auf die Mitbürger und ein wenig Gleichmut gegenüber der dekorativen Eifrigkeit der Nachbarn kann das Fest der Liebe kommen.

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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