Mitten in der Region:Das letzte Refugium des Machos

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Machos haben es nicht leicht. Es gibt nur noch wenige Nischen für die Chefrolle. Da wäre aber noch der Gartengrill. Hier lebt das Neandertalergen unverändert fort

Kolumne von Michael Morosow

Er hat einen Hintern wie Apollo, in seinen Hüften schwingt Elan. Der Macho. Es ist leider gerade keine gute Zeit für ihn, die Genderisierung macht ihm zu schaffen, die #MeToo-Debatte auch. Selbst wenn er heute noch mit seiner Wespentaille jede Klosterfrau nervös machen kann, wie der Liedermacher Rainhard Fendrich einst behauptete, weit bringt ihn das nicht mehr.

Was einst selbstverständlich nur er konnte, meistern heute ebenso Stierkämpferinnen, Soldatinnen, Feuerwehrfrauen oder unsere Kanzlerin. Nur noch in wenige mit Männerschweiß gemörtelte Nischen ist die Frau noch nicht eingedrungen, auf Anhieb fällt einem die Chefrolle am Gartengrill ein. Hier lebt das Neandertaler-Gen unverändert fort. Hier brutzelt der Mann Teile der in der Dorfmetzgerei gemachten Beute über glühenden Kohlen, hier wird er gepriesen für seine Kunst, Würstel und Steaks meistens innen gar und außen unverbrannt für den Verzehr freizugeben. Zur selben Zeit mariniert die Frau den Salat, hält die Kinder vom Grillmeister fern und hält Brandpflaster für ihren Helden bereit.

Es versteht sich, dass ein richtiger Mann keinen Gasgrill verwendet, sondern todesverachtend Brandbeschleuniger auf die vorglühenden Kohlen kippt, sodass die Verpuffung Vögel vom Himmel holen kann. Wer nicht im Angesicht lodernder Glut Steaks und Würstel brutzeln und dabei allmählich dehydrieren kann, kann kein ganzer Kerl sein. Und ebenso klar ist, dass der Ernährer aus der aromatisch geschwängerten Feinstaubwolke heraus nach kühlem Bier verlangen darf, das ihm unverzüglich zu reichen ist. Dieser Service liegt offenbar nach wie vor im Kompetenzbereich der Frau, worauf jedenfalls nun ein Getränkehandel hingewiesen hat. Überschrieben ist der Werbeauftritt mit dem Einzeiler: "Die Mama bringt's, der Papa trinkt's."

Eine Zeile, bei der jeder Macho vor Freude mit seinen Hüften schwingt. Eine Zeile aber auch, die eine Mama mit modernem Frauenbild zur Weißglut bringen kann. Aber gemach. Zumindest für die meisten Grillmachos gilt: Sobald das letzte Würstchen auf dem Teller liegt und die Grillzange am Haken hängt, reiht er sich wieder bei den Sterblichen ein. Und immer mehr, so sagt man, helfen dann sogar noch beim Abspülen - und bringen wenigstens das Leergut zurück.

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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