Mitten in der Region:Biologischer Bürokratieabbau

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Immer wieder ist von Regelungswut der EU-Bürokraten in Brüssel. die Rede. Hier kommt nächste Attacke aus der Metropole der Staatengemeinschaft und sie betrifft: den Führerschein

Kolumne von Walter Gierlich

Klar, im Europa-Wahlkampf war immer wieder die Rede von der Regelungswut der EU-Bürokraten in Brüssel. Und das Hickhack um die Wahl der Kommissionspräsidentin hat den Beliebtheitsgrad der Europapolitiker in Belgiens Hauptstadt und am Sitz des EU-Parlaments in Straßburg bei vielen Bürgern der (noch) 28 Mitgliedsstaaten auch nicht nach oben schnellen lassen. Da kommt die nächste Attacke aus der Metropole der Staatengemeinschaft: Die Bürger müssen ihre Führerscheine umtauschen, denn die sollen künftig in der gesamten EU einheitlich aussehen.

Nicht genug, dass den Autofahrern strenge Fristen, wenn auch nach Alter gestaffelt, gesetzt und sie wegen der neuen Fahrlizenz zur Kasse gebeten werden. Nein, auch im Dachauer Landratsamt macht man sich Sorgen über einen möglichen Ansturm Umtauschwilliger und verstärkt vorsorglich schon einmal das Personal in der zuständigen Behörde. Doch gibt es erfreulicherweise eine Altersgruppe, die das Tohuwabohu um die alten grauen Lappen, die rosa Heftchen oder die Scheine im Scheckkartenformat nicht weiter stört: Alle Führerscheinbesitzer, die wie der Autor dieser Zeilen vor 1953 zur Welt gekommen sind, genießen ein Privileg. Ähnlich wie das an Museumskassen oder beim Besuch von Ausstellungen schon lange Usus ist, wo es für Rentner genauso Vergünstigungen gibt wie für Schüler und Studenten.

Die Senioren dürfen ihre alte Fahrerlaubnis bis zum 19. Januar 2033 weiter benutzen, mag das Foto dem aktuellen Aussehen auch längst nicht mehr entsprechen und mögen die einst mit der Schreibmaschine in das graue Formular getippten Daten mittlerweile unleserlich sein. Hat der Gesetzgeber diese Sonderregelung für die Älteren aus Mitgefühl eingeführt, um ihnen lange Wartezeiten in den Kreisbehörden und die Kosten für das neue Papier zu ersparen? Angesichts der Tatsache, dass die jüngsten Führerscheinbesitzer dieser Altersgruppe beim Erreichen des für sie geltenden letztmöglichen Umtauschtermins bereits 83 Jahre alt wären, ist man eher versucht, an ein anderes Motiv zu denken: Vielleicht hat man sich zwecks Arbeitsersparnis bei der Umtauschregelung an eine Aussage des damaligen Ärztekammerpräsidenten Karsten Vilmar erinnert, die 1998 zum "Unwort des Jahres" erkoren wurde: Sozialverträgliches Frühableben.

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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