Mitten in der Region:Bergstiefel auf Reisen

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Langgediente Wanderschuhe sind ja einiges gewohnt, aber die Reise, die ein Paar Bergstiefel aus der Region kürzlich angetreten haben, ist wirklich kurios.

Kolumne von Erich C. Setzwein

Schuster war mal ein richtig wichtiger Beruf. Denn wer Schuhe hatte, hatte Geld, er konnte in die Welt hinaus. Schuhen sind so wunderbare Lieder gewidmet wie das von Nancy Sinatra gesungene "These Shoes are Made for Walking". In klassischen Westernfilmen sterben Cowboys beim Schusswechsel in ihren Stiefeln immer heldenhaft. Und hätten Hermann von Barth und Edmund Hilary keine guten Schuster gehabt, hätten sie weder das Karwendel erforschen können wie der Eurasburger Barth noch den Himalaja besteigen wie der Neuseeländer Hilary. Nun ist Nepal noch weiter weg als die westliche Karwendelspitze, doch die Reise, die ein Paar Bergstiefel aus der Region angetreten haben, ist fast so lang und kurios.

Als nach vielen Kilometern und ungezählten scharfen Alpensteinen die Sohle runter war, sollte sie mit einer neuen gleichen Profils ersetzt werden. Und zwar vom Hersteller, der dies übernimmt. Doch die Schuhmacher nehmen dort selbst keine Reparaturen an. Vielmehr wird auf den Händler verwiesen, bei dem man einst das stabile Paar aus Nubukleder erwarb. Der gehört inzwischen zum selben schwedischen Outdoorkonzern wie eine Schuhfabrik in der Region und bietet in seiner Münchner Filiale die Neubesohlung als Kundendienst an. Der Preis erscheint zunächst hoch, aber im Nachhinein ist er günstig für die Strecke, die das Paar zurückgelegt hat.

Denn zu den gut 45 Kilometern ans Münchner Isartor kommt, wie der Outdoorladenmitarbeiter recht kundig erklärt, die Fahrt von München in die Zentrale nach Hamburg, wo die Schuhe für den Versand zur Reparatur in Vierkirchen gesammelt werden. In Bayern wieder angekommen, wird neu besohlt, und es geht wieder zurück zum Händler. Dass die beiden gut eingelaufenen Stiefel zwei Monate und Tausende Kilometer durch Deutschland unterwegs waren, bis sie wieder bei ihrem Besitzer sind, gehört zur Geschichte moderner Logistik, die vom Gedanken der Nachhaltigkeit, Schuhe nicht wegzuwerfen, sondern zu reparieren, so weit entfernt ist wie die Gatterberge vom Himalaja.

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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