Mitten in der Region:Aus den dunklen Ecken

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Weil die Menschen so viel Zeit in ihren Wohnungen Häusern verbringen müssen, fällt ihnen auf, wie viel Gerümpel da rumsteht

Kolumne von Florian J. Haamann

Vielleicht, aber nur ganz vielleicht, besteht da ja ein Zusammenhang: Zwischen den seit ihrer Wiedereröffnung chronisch überlasteten Wertstoffhöfen und den in diesen Tagen vermehrt vor den Haustüren im Landkreis auftauchenden Kartons mit dem Hinweis "zu verschenken". Zurückzuführen ist dieser Zusammenhang wohl auf das große Ganze. Weil die Menschen wegen des Coronavirus gezwungenermaßen so viel Zeit in ihren Wohnungen und Häusern verbringen wie nie zuvor, fällt ihnen auf, wie viel Gerümpel sie da rumstehen haben. Und weil sie eben so viel Zeit haben, entschieden sich einige von ihnen, nun endlich einmal auszumisten. Und manches von diesem Mist ist ihnen dann doch eigentlich zu schade zum Wegwerfen - zumal an den Wertstoffhöfen sowieso nur lange Schlangen und überquellende Container warten. Also verwandelt man die Entsorgung in einen oberflächlich altruistischen Akt, der sich in den vielen Kartons manifestiert.

So erhält der gemütliche Spaziergänger auf seinem Weg durch die Straßen tiefe Einblicke in die dunklen Ecken hiesiger Keller, Abstellkammern und Bücherschränke. Es ist eine Welt voller zerplatzter Hobbys, schlechtem Literaturgeschmack und ausgewaschener Kleidung. Da stehen Inlineskates, die seit Jahren keinen Fuß mehr gespürt haben, neben einer aufgelösten Sammlung Revolver-Groschenheft-Reihe "Lassiter" der Siebzigerjahre und einem, dem Aufkleber nach noch voll funktionsfähigen Schokobrunnen.

Einige Straßen weiter scheut man sich nicht vor dem Frevel, vor einer abgesplitterten Marienfigur aus dem Souvenirladen ausgeleierte Damenhöschen und BHs auszulegen. Allerdings auf einem Stromkasten vor einem Mehrfamilienhaus, damit der Urheber wenigstens nicht zurückverfolgbar ist. Die Coronakrise mag also bei vielen Menschen ihre guten Seiten zum Vorschein bringen. Sie wirft aber auch ein Licht auf ihre schlimmsten Kaufsünden.

© SZ vom 02.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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