Mitten im Landkreis:Igel im Liebesrausch

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Weil ihre Stacheln auf Asphalt laut klappern, hören die Tiere herannahende Autos zu spät

Von Gerhard Wilhelm

Alter Witz: Wie lieben sich Igel? Ganz vorsichtig. Dem widerspricht eine Pressemitteilung des Landesbundes für Vogelschutz (LBV): "Igel im tödlichen Liebesrausch". Das liest sich nach wilder Ekstase mit Herzinfarkt. Beim Sex sind die Tiere sehr ausdauernd und laut. Das Schnaufen und Fauchen während des stundenlangen Aktes hat schön öfters zu einem Anruf bei der Polizei geführt. Am meisten Krach macht das Männchen, das Weibchen ist hingegen beim Vorspiel der aktivere Part.

Ob der Akt an und für sich für so manchen stacheligen Lover mit dem Tod geendet hat, ist unbekannt. Die Weibchen sind auch nicht als Schwarze Witwe verrufen. Tödlich kann für die Igel vielmehr der Weg zur liebesbereiten Partnerin werden. Da männliche Igel eine Reviergröße von bis zu hundert Hektar haben, was 140 Fußballfelder entspricht, müssen die liebestollen Tiere zwangsläufig gefährliche Straßen und andere Hindernisse überqueren, um Weibchen zu finden, teilt der LBV mit. Und so überqueren Igel im Durchschnitt mindestens zwölf Straßen pro Nacht. Der Igel zählt leider zu den am häufigsten überfahrenen Säugetieren. Dabei ist es gar nicht mal so, dass Herr Igel bei der Aussicht auf Sex blind über die Straße rennt. Igel haben ein ausgezeichnetes Gehör und warten manchmal minutenlang, ehe sie den ersten Schritt auf die Straße wagen. Experten haben herausgefunden, dass wohl das Klappern ihrer Stachel beim Laufen auf dem Asphalt andere Geräusche wie näher kommende Autos übertönen. Wenn sie dann die Bodenerschütterungen spüren, verharren sie kurz, um die für sie unnatürliche Gefahr einzuschätzen. Doch diese blecherne Gefahr können sie nur unterschätzen. Eine tödliche Fehleinschätzung.

Damit ist nicht der Liebesrausch tödlich, sondern der Mensch. Also Augen auf im Juni und Juli abends und nachts beim Autofahren. Nicht über die Straßen brettern sondern mit Rücksichtnahme. Stellen Sie sich einfach vor, sie seien ein Igel auf dem Weg zu einem Rendezvous. Wenn sie in Gedanken an ihre Liebste oder den Liebsten über die Straße tappen, hoffen sie auch, dass die anderen Verkehrsteilnehmer aufpassen. Sie wollen ja ankommen.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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