Mitten auf der Strasse:All-You-Can-Eat auf dem Asphalt

Unfallschwerpunkte sorgen oft für heftige Debatten.

Kolumne von Wieland Bögel

Der Unfallschwer- ist bekanntlich ein beliebter Streitpunkt. Etwa zwischen Anwohnern und Verkehrsbehörden: Während erstere auf die Gefährlichkeit der Straße verweisen und Maßnahmen wie Zebrastreifen oder gar Ampeln fordern, sehen letztere die Situation für solch teuren Schnickschnack meist als viel zu ungefährlich an. Auch einige Anwohner der B304 sehen diese Straße offenbar als Unfallschwerpunkt - nur mit dem Unterschied, dass sie damit wohl keine Probleme haben, eher ganz im Gegenteil.

Was daran liegen dürfte, dass die betreffenden Anwohner von eventuellen Unfällen neben ihren Behausungen durchaus profitieren, sie sind gewissermaßen ihr täglich Brot. An manchen Tagen scheint auf fast jedem Gehölz eine hakenschnäbelige Silhouette das Geschehen auf der Straße aufmerksam zu verfolgen, selbst gut zu beobachten in der weitgehend laublosen frühen Frühlingszeit. Auch Ampelanlagen wie bei Reitgesing nahe Ebersberg sind sehr beliebte Aussichtspunkte.

Vermutlich warten sie auf Unfallopfer, in diesem Fall unvorsichtige Mäuse, Hasen und anderes Kleingetier. Das B in B304 steht dann quasi für Buffet. Was ja aus Sicht der Vögel, die es eh nicht leicht haben in der modernen Monokulturlandschaft, wie auch der allgemeinen Nachhaltigkeit - wenigstens werden die überfahrenen Tiere wieder dem natürlichen Nahrungskreislauf zugeführt - durchaus zu begrüßen ist.

Ein bisschen erinnert das Raubvogel-All-You-Can-Eat allerdings an alte Western, Stichwort: Die Geier kreisen schon. Gut: Gekreist wird in dem Fall eher selten und Mundharmonika spielt hier auch keiner - täte es jemand, ginge es ohnehin im Verkehrslärm unter -, aber wenn man die kleinen Verwandten der gefiederten Wildwest-Statisten so beobachtet: Ein bisschen Memento-Stimmung kommt schon auf ...

© SZ vom 12.04.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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