Pah! Das kennt man doch von Urlaubsreisen. Vor allem deutsche Touristen haben diesen unsympathischen Drang: Da werden gleich in der Früh die Handtücher auf die besten Liegen am Pool geschmissen, damit man am Spätnachmittag schöne Plätze hat. Und auch am Strand werden die Horizontalen direkt an der Brandung reserviert, egal, ob der krebsrote Körper ein Sonnenbad überhaupt verträgt. Meins ist meins - und alle Welt soll es sehen. Vollkommen egal, ob die Liegen hier wie dort die meisten Stunden des Tages über leer bleiben, weil es in der Bar von Antonio wieder so was von nett ist und Dermatologen im Allgemein vor der Mittagshitze warnen. Hauptsache, wir könnten, wenn wir denn wollten. Und ganz wichtig: Nein, ein anderer kriegt die erste Reihe nicht.
An den Seen ein ähnliches Bild: Eine eingeschworene Gemeinschaft aus Badegästen besetzt seit gefühlt hundert Jahren den immer gleichen und besten, weil nah am Wasser gelegen und mit Schatten spendenden Bäumen versehenen Platz. "Entschuldigung, da können Sie nicht liegen, die Erna kommt gleich", bekommt zu hören, wer sein Handtuch ohne Hintergedanken in einer offensichtlichen No-lay-Area See ausrollt, um ein paar Bahnen zu schwimmen und sich danach ein wenig die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen.
Erna? Kennen wir nicht - und ist auch nicht zu sehen an diesem Vormittag. Aber ihre Landung am See wird von den Anwesenden mit großer Freude erwartet. Erna liegt immer da. Jeden Tag, wenn es das Wetter zulässt - und es eben die Unwissenden am Ufer nicht verhindern. Also schnell das Handtuch eingerollt, ein paar Meter gerutscht, um nicht im Weg zu sein, wenn Erna die Rentnergang mit ihrem Auftritt beglückt. Und dann ist es so weit: Sie erscheint. Großes Hallo ob ihres Kommens und vorwurfsvolle Blicke in Richtung der eben verscheuchten Stammplatzbesetzer. Erna versteht nicht, fragt nach und ruft dann ganz entspannt herüber: "Sie kenn' ich doch aus dem vergangenen Jahr, lange schon nicht mehr gesehen. So ein schöner Sommertag heute, viel Spaß beim Schwimmen!"