Microscar und "Ellenator":Die trockene Alternative zum Moped

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Seit 2013 dürfen Jugendliche ab 16 Jahren mit dem Führerschein AM gedrosselte Autos fahren. Vor allem Auszubildende, die keine gute Anbindung an den ÖPNV haben, haben daran Interesse

Von Thomas Daller, Landkreis

Morgens auf der Fahrt zur Arbeit hinter einem Renault Twizy hinterhergezockelt, der auf 45 Stundenkilometer gedrosselt war; mittags einer älteren Frau zugesehen, die im Stadtverkehr ein Microcar benutzt hat; abends an der Tankstelle neben einem umgebauten Kleinwagen gestanden, der beide Hinterräder so zur Mitte hin versetzt hatte, dass er verkehrstechnisch als motorisiertes Dreirad gilt: Leichtkraftfahrzeuge werden auch im Landkreis Erding immer beliebter. Jugendliche dürfen sie bereits mit 16 Jahren fahren.

Für manche benötigt man den A 1 Führerschein, für viele nur den Rollerführerschein. Doch im Gegensatz zu einem Roller sitzt man in diesen "Mopedautos" im Trockenen und hat sogar eine Heizung. Nicht nur Jugendliche schätzen die Kleinfahrzeuge, auch für ältere Semester, die nur noch im Stadtverkehr zum Einkaufen unterwegs sind, ist das eine Alternative. Diese Kleinwagen sind keine neuen Erfindungen. Ihre Vorläufer sind legendäre Oldtimer wie der Messerschmidt Kabinenroller, die BMW Isetta oder das Goggomobil.

Seit dem 19. Januar 2013 dürfen in Deutschland Jugendliche ab 16 Jahren, die im Besitz der Führerscheinklasse AM sind, entsprechend ausgelegte Fahrzeuge lenken, die Begrenzungen beim Gewicht, der Motorleistung und der Höchstgeschwindigkeit haben. Dabei ist das Spektrum groß: Es reicht von Elektrofahrzeugen über Microcars bis zu umgebauten Kleinwagen wie Skoda Fabia, Fiat 500, Seat Ibiza oder VW Polo, die als "Ellenator" schon vereinzelt im Landkreis zu sehen sind. Sie erkennt man daran, dass auf der Hinterachse die Räder so nahe zusammenstehen, dass sie vor dem Gesetz als ein einziges gelten. Das umgebaute Gefährt ist plötzlich kein Auto mehr, sondern nur noch ein motorisiertes Dreirad. Und das darf man mit dem A 1-Führerschein, also mit 16 fahren.

Die Idee stammt von Wenzeslaus Ellenrieder, Kfz-Meister aus dem Allgäu. Er wollte für seinen 16-jährigen Sohn ein Fahrzeug entwickeln, das sicherer ist als ein Motorrad. Der "Ellenator" ist jedoch aufgrund seiner hohen Kosten eine Ausnahmeerscheinung auf den Straßen: Neben dem Preis für das Neufahrzeug fallen noch 5000 Euro für den Umbau an. Allerdings bietet es auch den Komfort eines Kleinwagens und Platz für vier Insassen.

Günstiger sind die weit verbreiteten Microcars. Auch das ist immer noch ein teueres Vergnügen, sagte Erwin Matzinger, der in seinem Autohaus in Niederneuching seit eineinhalb Jahren Microcars vertreibt. Rund 8000 Euro kostet das einfachste Modell, mit Klimaanlage, Bordcomputer und allem Drum und Dran kann man auch ein Microcar für 12 000 Euro erwerben. Typische Käufer sind laut Matzinger gut situierte Familien mit mehreren Kindern, damit das Microcar nicht nur eine "Eintagsfliege" ist. Sie wohnen meist auf dem Land, wo die ÖPNV-Anbindung schlecht sei und das Fahrzeug benötigt werde. Zum Beispiel wenn ein Kind nach der Schule eine Ausbildung beginnt und auch im Winter oder bei Regen nicht durchnässt zur Arbeit kommen wolle. Ein anderes Beispiels kennt er aus dem Holzland, wo ein 16-Jähriger Cello in der Kreismusikschule Erding lernt und schlechterdings nicht mit dem Instrument auf dem Rücken Moped fahren könne.

Tanja Schreiber von der Fahrschule Obermaier in Taufkirchen sagte, es habe noch kein riesiger Ansturm auf diese Fahrzeuge eingesetzt, aber einzelne Fahrschüler hätten schon Interesse: "Aktuell haben wir zwei Fahrschüler, die den Führerschein Klasse B machen." Bei einem sei der Bruder schon damit gefahren, der andere fahre im Sommer Motorrad und im Winter mit dem Leichtkraftwagen. Den beiden sei es wichtig, dass sie im Winter trocken ankämen und nicht frieren müssten. "Ich finde es nicht schlecht", sagte Schreiber. Diese Fahrschüler würden den Unterricht im Auto sehr schnell umsetzen können. Man merke, dass sie bereits damit vertraut seien, "breiter" im Verkehr unterwegs zu sein.

Christian Fragner von der Fahrschule Fragner in Erding hält es noch für ein Nischenphänomen; im vergangenen Jahr habe er zwei Fahrschüler gehabt, die so einen Wagen fahren wollten. "Das sind meist junge Leute, die außerhalb wohnen, zur Arbeit fahren wollen und keine gute Anbindung haben. Da spielen praktische Gründe eine Rolle." Fragner kann sich vorstellen, dass das Interesse wächst, aber im Moment sei auch der Gebrauchtwagenmarkt nicht besonders groß.

© SZ vom 23.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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