Mangel an Eigeninitiative:Abschiebung scheitert an fehlendem Pass

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Was passiert mit einem Menschen, wenn der Asylantrag abgelehnt wird, der Asylbewerber aber nicht abgeschoben werden kann? Anscheinend gibt es dafür noch keine Regelung, wie ein Prozess im Ebersberger Amtsgericht zeigt.

Einem 32-Jährigen wurde laut Anklageschrift vorgeworfen, gegen das Aufenthaltsrecht zu verstoßen. Sein Asylantrag wurde 2016 abgelehnt und daher soll er nun wieder in sein Herkunftsland abgeschoben werden. Das Problem ist aber, dass der Angeklagte keinen Reisepass besitzt und somit nicht ausreisen kann. Damit die Botschaft in Deutschland ihm einen Pass ausstellen kann, benötigt diese einen Identitätsnachweis aus seinem Heimatland. Der kann aber nur vor Ort beantragt werden. Dafür müsste eine Vertrauensperson oder Verwandter des Mannes zu den Behörden fahren, um die Dokumente zu beschaffen. Doch das gestalte sich nach Aussagen des Verteidigers als äußerst schwierig. Der Mann habe zwar eine Schwester, die dort lebe, diese habe aber keine Zeit, die Identitätspapiere zu beschaffen. Der Verteidiger ergänzte, dass sein Mandant zudem nur ein Duldungsrecht und keinen Aufenthaltstitel habe, der ihm aber zustehe.

Nun wurde dem Angeklagten von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sich keine Mühe bei der Beschaffung der Papiere zu geben. Schon häufig ist er von der Ausländerbehörde ermahnt geworden, diese vorzulegen. Bislang ohne Erfolg. Der Verteidiger behauptete, dass sein Mandant alles gemacht habe, was von ihm verlangt wurde. Nach einem Anschreiben ging er zur Botschaft und erklärte auch, dass seine Schwester die Dokumente nicht beschaffen konnte.

Eine Möglichkeit an die Papiere zu gelangen, gebe es aber noch, wie die geladene Zeugin der Ausländerbehörde berichtete. Es könne ein Vertrauensanwalt engagiert werden, der die Unterlagen im Herkunftsland für ihn besorgen könne. Bei mittellosen Personen werden auch die Kosten von der Behörde übernommen. Das habe sie dem Angeklagten bei einem persönlichen Gespräch auch mitgeteilt. Da fragte auch Richterin Vera Hörauf noch einmal genau nach. Denn wie der Mann zuvor erklärt hatte, müsste er die Kosten für einen Vertrauensanwalt selbst tragen. Den genauen Ablauf des Gesprächs konnte die Zeugin nicht wiedergeben, doch in der Regel erwähne sie die Kostenübernahme seitens der Ausländerbehörde. Was sich zuerst nach einer Lösung anhörte, stieß jedoch auf Widerwillen. Der Angeklagte würde dem nur zustimmen, wenn er selbst Kontakt zum Vertrauensanwalt aufnehmen könne. Da die Kosten aber von der Behörde übernommen werden, beansprucht diese den alleinigen Kontakt zum Anwalt, um den Vorgang voran zu treiben, wie die Zeugin bestätigte. Auch ein Vieraugengespräch zwischen Verteidiger und Mandanten änderte nichts an dessen Ansicht, das Angebot nicht anzunehmen, was der Verteidiger gut nachvollziehen konnte. Dadurch fühlte sich die Zeugin in ihrer Vermutung bestätigt, dass der Angeklagte die Papiere nur deshalb nicht besorge, um nicht abgeschoben zu werden. Bereits vier Mal habe die Zusammenarbeit mit einem Anwalt in diesem Herkunftsland sehr gut geklappt.

Zudem kam auch noch ans Licht, dass die Mutter des Angeklagten dort lebe. Zu ihr bestünde aber kein Kontakt, versicherte der Angeklagte. Es konnte aber nachgewiesen werden, dass er ihr bis 2013 Geld zukommen ließ. Als sich Richterin Hörauf abermals nach dem Wohnort der Mutter erkundigte, konnte diese Frage nicht beantwortet werden. Auch nicht, ob die Schwester Kontakt zur Mutter hatte. So sehr sich Hörauf auch bemühte, ein Kompromiss konnte nicht gefunden werden. Die Staatsanwaltschaft riet, den Angeklagten mit 150 Tagessätzen á zehn Euro zu verurteilen, der Verteidiger plädierte auf Freispruch für seinen Mandanten und einen Aufenthaltstitel.

Nachdem Hörauf sich beide Seiten angehört hatte, wurde sie von den Argumenten der Staatsanwaltschaft und der Zeugin überzeugt. Der Angeklagte habe sich nicht genug darum bemüht, den Identitätsnachweis zu beschaffen und auch den Vertrauensanwalt lehnte er ab. Er musste somit 120 Tagessätze á fünf Euro zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen. Sein monatliches Einkommen von 160 Euro, seine Unterbringung in einer Unterkunft lebt und die fehlende Arbeitserlaubnis wurden laut Hörauf bei der Urteilsverkündung berücksichtigt und milderten das Strafausmaß. Wie die Zukunft des Mannes allerdings aussieht und wie die Papiere nun beschafft werden sollen, konnte nicht geklärt werden.

© SZ vom 11.04.2017 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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