Lesung im Schrannensaal:Ein Haus voller Geschichte und Geschichten

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Autor und glänzender Unterhalter: Hermann Kraus bei der Präsentation des Buches "Ein Haus erzählt seine Geschichte". (Foto: Renate Schmidt)

Hermann Kraus hat ein Buch über das traditionsreiche Modehaus "Kraus am Eck" in der Erdinger Altstadt geschrieben - Bei der Präsentation stiehlt der Autor mit Anekdoten aus seinem Leben dem historischen Gebäude fast die Show - OB Gotz lobt eigenständiges Profil des Gebäudes

Von Philipp Schmitt, Erding

Das druckfrische Buch "Ein Haus erzählt seine Geschichte" über das traditionsreiche Modehaus Kraus am Schrannenplatz hat am Freitag Hermann Kraus im voll besetzten Schrannensaal präsentiert. Und dieses Haus hat wirklich viel zu erzählen: Es hat die Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg überlebt und war später Motiv für den Maler Carl Spitzweg. Nicht weniger interessant ist aber auch das Leben des Autors Hermann Kraus, der bei der Präsentation des 475-seitigen Werks das Publikum mit Anekdoten bestens unterhielt.

Das "Multitalent" Hermann Kraus zu beschreiben sei, "wie Eulen nach Athen tragen zu wollen", sagte Hans Niedermayer. In der Laudatio teilte er mit, dass mit dem Buch ein "umfassenden Werk" über das Kraus-Haus im Herzen Erdings und die dort seit Generationen lebende Familie verfasst wurde. Es sei in Ordnung, wenn Kraus die Geschichte des Modehauses mit seiner Autobiografie vermische, weil "beide Geschichten zusammen gehören".

Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) betonte, dass sich in der Historie des Hauses und der Familiengeschichte die Entwicklung der Stadt und deren Handwerker- und Handelstradition widerspiegele. Im auf fast 39000 Einwohner gewachsenen Erding müsse trotz Wandels mit Originalen wie Kraus ein eigenständiges Profil bewahrt werden, sagte Gotz.

Das 1642 an exponierter Stelle gegründete Haus wurde im Dreißigjährigen Krieg von schwedischen und französischen Soldaten verwüstet. Das Gebäude wurde später von Carl Spitzweg gezeichnet. Ein schlimmes Ereignis war 1945 der Luftangriff auf die Stadt: "Das Haus hat viel erlebt und überlebt, es gab viele Umbauten." Im Keller gibt es einen alten Brunnen, erfuhren die Zuhörer. Und am Garten fließt die Sempt vorbei.

Der Name Kraus kam vor 186 Jahren in die Familie, als Ignaz Kraus aus Augsburg einheiratete, erzählte der Autor. Hermann Senior übernahm 1935 das Geschäft, das nach dessen Tod 1958 die aus Wartenberg stammende Mutter weiter führte, bis die Söhne Hermann und Uli das Modehaus übernahmen. Das Sortiment hat sich im Laufe der Jahre verändert, heute gibt es modische Damenbekleidung, früher wurden Zigaretten, Schnupftabak oder Knöpfe angeboten.

Mit sichtlicher Lust am Fabulieren erzählte Kraus aus seinen Memoiren. Nach dem Angriff auf den Fliegerhorst 1945 sei er nach Wartenberg evakuiert worden. Danach folgte die strenge Zeit im Internat und die Ausbildung in einem Kaufhaus in Dachau, bevor er 1965 nach Erding zurück kam. Er berichtete von Reisen, etwa mit der Transibirischen Eisenbahn zum Baikalsee, nach Indien und China und wirkte dabei am Lesetisch hinter dem Stapel Büchern wie eine Mischung aus dem britischen Bestsellerautor Ken Follett und Baron von Münchhausen. Der Privatier, der die Leitung des Modegeschäft 2015 seinem Sohn Wolfgang übertrug, sprühte vor Esprit, als er vom Erding seiner Kindheit erzählte: Vom Schwimmbad am Stadtpark, dem alten Oberlehrer - und es gab ein Grummeln im Publikum, weil in diesen Momenten ein Erding längst vergangener Zeiten noch einmal in den Köpfen zum Leben erweckt wurde.

Kraus ist außerdem Sänger und Gründungsmitglied des Seemannschors, Vereinsfunktionär, Golfspieler. Charmant-witzig erinnerte an die turbulente Zeit, als er 1968 Faschingsprinz war. Zudem hat er bei den Schwedenspielen und dem "Untergang der Titanic" mitgewirkt. Lange bevor es Social Media gab, hat er bei Stammtischen im Speak Easy oder der "Huber Fanny" Netzwerke gebildet. Die dortigen Gerüchteküche und Neuigkeiten nutzte er für viele frech-witzige Dialoge bei den "Turmgesprächen" zwischen Schönen Turm und Stadtturm im Fasching. Die den Kindern und Enkeln von Hermann Kraus gewidmeten Bücher sind für je 23 Euro im Modehaus erhältlich.

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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