Lange Zeit war zudem in Bayern die Rechtslage unsicher:Mietpreisbremse ohne große Wirkung

Lesezeit: 2 min

Kaum ein Wohnungssuchender wagt es zu klagen. Die Mietervereinsvorsitzende Kolenda unterstützt Münchens OB Reiter bei der Initiative, ein kommunales Instrument einzuführen. Zahl der Obdachlosen steigt weiter

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Wenn die Vorsitzende des Erdinger Mietervereins Eva Kolenda auf die Mietpreisbremse angesprochen wird, hat sie eine gute und ein schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, "dass es die Mietpreisbremse in Bayern faktisch nicht gibt", die gute, dass "wir in den paar Fällen, in den die Mietpreisbremse greifen hätte müssen, zu einer gütlichen Einigung mit den Vermietern gekommen sind", sagt Eva Kolenda. Sie wisse jedenfalls von keiner Klage in Erding gegen die Mietpreisbremse. Auch Stefan Priller, dem stellvertretenden Direktor des Amtsgerichts Erding, sind nur Fälle "im einstelligen Bereich" seit Inkrafttreten des Gesetzes bekannt.

Selbst in der Millionenstadt München, wo der Wohnungsmarkt noch stärker angespannt ist als in Erding, gibt es wenige, die sich wegen der Mietpreisbremse mit ihrem Vermieter anlegen. Vom Münchner Mieterverein erhält man die Auskunft: "Die Leute sind froh, überhaupt eine Wohnung bekommen zu haben. Da wollen sie nicht gleich am Anfang Ärger mit dem Vermieter", sagt ein Sprecherin. Der Mieterverein Erding hat nach Kolenda in den paar Fällen, wo man theoretisch hätte klagen können, auf das Gespräch mit den Vermietern gesetzt und darauf hingewiesen, wie die Rechtslage sei und dass die Forderungen überzogen seien - das habe geholfen.

Klagen hätte man im Übrigen eh nicht können, da Bayern das einzige Bundesland sei, in dem wegen der unsicheres Rechtslage die Mietpreisbremse nicht angewendet werden könne. Auch das Landgericht München hatte gerügt, dass die bayerische Landesregierung nicht ausreichend begründet habe, wann ein angespannter Wohnungsmarkt vorliege. Die Landesregierung hat die entsprechende Verordnung zwar dann nachgebessert, aber nur Neufälle können sie nutzen.

Die im August 2015 eingeführte Mietpreisbremse gilt in mittlerweile 313 deutschen Städten, enthält aber viele Ausnahmen. Sie greift nicht, wenn eine Wohnung neu gebaut, umfassend renoviert wurde oder schon der Vormieter mehr gezahlt hat als die ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent. Und nur, wenn der Mieter danach fragt, müssen die Vermieter die vorherige Miete angeben.

Kolenda unterstützt deshalb die Initiative von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Der will noch vor der Sommerpause eine kommunale Mietpreisbremse auf den Weg bringen. Sie sieht vor, dass die Mieten in frei finanzierten Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften Gewofag und GWG nur noch um maximal zehn Prozent innerhalb von fünf Jahren erhöht werden dürfen. Die Erdinger Mietervereinsvorsitzende sieht auch in Bauwohnungsgesellschaften eine Chance mehr Menschen eine bezahlbare Wohnung zu ermöglichen. "Wenn in München sogar dann Mieten mit sieben Euro je Quadratmeter möglich sind, muss dass auch bei uns möglich sein. Man muss nicht alles immer unter dem Gesichtspunkt eines maximalen Gewinns sehen."

Wie dringend notwendig wirklich für alle bezahlbare Wohnungen seien, zeigten laut Kolenda zwei Punkte: "Alleine im Landkreis Erding haben rund 6900 Menschen zwei oder sogar drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Und der größte Ausgabenposten ist dabei die Miete". Der zweite Punkt, der die "entsetzliche Situation" auf dem Erdinger Mietmarkt zeige, seien die ständig wachsenden Obdachlosenzahlen. Inzwischen könne man von Obdachlosigkeit relativ schnell bedroht sein. Es reiche eine nicht mehr bezahlbare Mieterhöhung und die Kündigung. Neben den vorhandenen 21 Wohnungen an der Sportfeldstraße hat die Stadt 15 weitere Wohneinheiten bauen lassen. Im November wurden sie eingeweiht. Nun seien schon fast alle wieder belegt, sagt Eva Kolenda. Bei den Wohneineinheiten handelt es sich um Ein-, Zwei- und Drei-Zimmer-Appartements in Einfachstbauweise, die man nicht mieten kann, sondern in die man von der Stadtverwaltung eingewiesen wird. "Immerhin hat dann vielleicht eine Familie sechs Monate Zeit gewonnen, um doch noch eine neue Unterkunft zu finden."

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: