Landkreis Erding:Notfallplan wird Alltag in den Schulen

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Unterrichtsausfall und Lehrermangel: Mobile Reserven können den aktuellen Bedarf nicht mehr kompensieren.

Anja Perkuhn

Es gibt Vieles, mit dem sich Ingeborg Bruns auseinandersetzen muss. Sie ist Rektorin an der Grundschule Klettham, und mittelkleine Katastrophen gibt es an Schulen immer wieder. Kopfläuse, Masern, aufgeschlagene Knie - mit ein paar Kopfwäschen, Bettruhe oder einem Pflaster lässt sich das alles klären. Doch was sie den Eltern noch sagen soll, die verstimmt sind über den massiven Unterrichtsausfall, da ist sie ratlos. "Die sind natürlich zu Recht verärgert", sagt sie. "Wir hätten es ja auch lieber, dass nicht so viel ausfallen würde."

Unterrichtsausfall und Lehrermangel: Mobile Reserven können den aktuellen Bedarf nicht mehr kompensieren. (Foto: dapd)

In der vergangenen Woche musste die Schule für eine zweite Klasse gar einen ganzen Unterrichtstag ausfallen lassen, bei anderen Klassen fallen vor allem Randstunden und der Fachunterricht weg. Die Grundschule muss den Ausfall von einer Vollzeitlehrerin, einer Fachlehrerin und einer Förderlehrerin selbst kompensieren. Hilfe vom Erdinger Schulamt kann sie nicht erwarten. "Nicht, dass Sie das falsch verstehen", beeilt sich Bruns zu erklären, "das Schulamt betreut uns wunderbar. Die schicken uns immer sofort Reserven, wenn sie welche haben." Doch genau die haben sie eben gerade nicht. Man ist dort an seine Grenzen gestoßen. Es gibt im Landkreis Erding 33 so genannte mobile Reserven: Aushilfslehrer, die das Schulamt dort hinschickt, wo die Personalnot am größten ist. Nur hat das Schulamt niemanden zur Verfügung, den es schicken könnte.

"Momentan muss ich schauen, dass ich die personellen Engpässe möglichst gleichmäßig auf die Schulen verteile", sagt der Erdinger Schulrat Hans-Rudolf Suhre. Der feine Spott verbirgt nicht seine Sorge: Die mobilen Reserven sind grundsätzlich in regem Einsatz, doch zur Zeit vertreten die Springer sehr viele Lehrer mit Langzeiterkrankungen.

Außerdem müssen vom Beginn dieses Schuljahres bis in den Juli hinein insgesamt zwischen 18 und 20 Lehrerinnen wegen Schwangerschaft vertreten werden - und das sind nur die kalkulierbaren Ausfälle. Kommt wie aktuell noch eine Grippewelle dazu, steht Suhre mit leeren Händen da. "Der Stand heute ist der selbe wie der Stand von letzter Woche und auch vor den Weihnachtsferien: Alle mobilen Reserven sind im Einsatz."

Die Regierung von Oberbayern hat zwar weitere Springer für den Landkreis in Aussicht gestellt - vier sollen es sein, die mit jeweils 20 Wochenstunden befristet bis zum Schuljahresende aushelfen - und eine von ihnen arbeitet bereits seit Mitte Januar. Drei weitere sollen im Februar folgen. Doch auch das nützt der Grundschule Klettham nichts, denn "diese vier sind eigentlich schon alle verplant", sagt Suhre.

Ingeborg Bruns und ihre Kollegen müssen deshalb improvisieren. Sondereinrichtungen wie der Religionsunterricht, Werken und textiles Gestalten, die Deutsch-Förderklasse oder die Sonderklasse für leistungsstarke Kinder werden gestrichen, die Schüler bleiben im normalen Klassenverbund. Auch die Rektorin selbst unterrichtet jetzt wieder, ihre Büroarbeit bleibt seit Wochen liegen. "Wir wissen nicht, ob unsere Vollzeitlehrerin noch eine vierte Woche krank ist. Dann müssen wir uns einen Notfallplan überlegen." Das hieße entweder, die 25 Schüler der 2b auf die 2a und die 2c aufzuteilen. Die Lehrerinnen hätten dann jeweils 37 Schüler zu betreuen. Oder es gibt Schichtunterricht - stunden- oder tageweise. "Es sind aber immer die Kinder die Benachteiligten", sagt Bruns.

Noch einmal den Schülern einen Brief an die Eltern mitgeben, in dem sie einen ungeplanten schulfreien Tag ankündigt, das will sie auf keinen Fall. "Die Schüler haben ein Recht auf Unterricht und Bildung", sagt sie. Da scheint es irrwitzig, dass in Bayern in den Jahren 2011 und 2012 vor allem im Volksschulbereich 1991 Lehrerstellen wegfallen sollen. Schulrat Suhre bezeichnet diese Entwicklung als "fatal", Bruns' Stimme wird leiser, wenn sie davon spricht: "Sollte das passieren, wäre das eine Katastrophe für den Lehrberuf. Wenn ich an die Streichungen denke, wird mir ganz übel."

© SZ vom 12.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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