Internet im Landkreis:Asylunterkünfte weiter ohne Anschluss

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Innenminister Herrmann forciert die Ausrüstung mit Internet, im Landkreis passiert aber nichts, wie Helferkreise beklagen

Von Antonia Steiger, Erding

Wie wichtig ein funktionierendes Internet ist, weiß seit Home-Office und Homeschooling jeder. Für viele Menschen in den Asylunterkünften im Landkreis ist ein Internetzugang aber noch immer nicht in Reichweite. Die Helferkreise haben vor einigen Wochen einen Brief an Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) geschrieben, in dem sie ihn nicht nur mit dieser Tatsache konfrontieren, sondern auch mit Aussagen des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU), der nicht nur die Bedeutung des Internetzugangs betont, sondern auch Wege aufzeigt, wie dies umgesetzt werden kann - und soll. Die Helferkreise warten weiter auf Antworten, warum bisher nichts passiert ist. Der SZ teilte das Landratsamt mit, die Antwort sei in Arbeit. Man sei "sehr bemüht, doch noch Möglichkeiten zur Umsetzung zu finden".

Im Landkreis Erding ist eine Gleichbehandlung der Geflüchteten, was den Zugang zum Internet betrifft, nicht gegeben. Eine Recherche der SZ vom Mai hatte ergeben, dass das Landratsamt den Bewohnern der Unterkünfte untersagt, eigenen Verträge abzuschließen, das wird in dem aktuellen Brief bestätigt. Es sollen Telefonleitungen gekappt und Router abmontiert worden sein, um eigenständige Vertragsabschlüsse der Geflüchteten zu verhindern, schreiben die Helferkreise. Bereits geschlossene Verträge durch Asylbewerber und Anerkannten hätten nach Aufforderung durch das Asylmanagement wieder gekündigt werden müssen.

Die Recherche hatte zudem ergeben, dass Geflüchtete dort Internetzugang haben, wo ehrenamtliche Helfer die Vertragsabschlüsse übernehmen. Erstrebenswert erscheint jedoch etwas anderes, und das sah man schon im April auch im Innenministerium so: dass in den Unterkünften zunächst die technischen Voraussetzungen geschaffen werden und dass die Verantwortung für die Vertragsabschlüsse grundsätzlich bei den Bewohnern bleiben solle. In Herrmanns Brief vom April an Maria Brand von der ehrenamtlichen Asylberatung Erding heißt es wörtlich: "Der Staat schafft und finanziert zukünftig die technischen Grundvoraussetzungen, damit ein Internetzugang eingerichtet werden kann." Und weiter: "In Bezug auf die dezentralen Unterkünfte sind insoweit die Landratsämter zuständig." Das hatte Erwartungen geschürt, die nicht erfüllt wurden: Man sei davon ausgegangen, dass diesen Auftrag "tatsächlich nachgekommen wird", schreiben die Helferkreise. Es habe sich aber nichts geändert. "Nirgendwo ist jemand angerückt", sagt Maria Brand.

Auch die etwa dreißig Bewohner einer Unterkunft in Forstern warten weiter, darunter Schüler, die laut Brand noch nicht einmal einen Telefonanschluss haben. Ein Distanzunterricht war nicht möglich. Und so findet sich auf einem Zeugnis der Berufsschule, das die Helferkreise präsentieren, der Hinweis: "... konnte am Online-Unterricht während der Phasen des Distanzunterrichts aus technischen Gründen nicht immer teilnehmen". Der Name des Schülers und seine Noten zum Beispiel für den "Spracherwerb Deutsch" sind geschwärzt.

Die Helferkreise weisen auf Widersprüche zwischen Innenministerium und Landratsamt hin: Herrmann hatte im April geschrieben, die Verantwortung für einen Vertrag "soll weiterhin grundsätzlich bei den Bewohnern" verbleiben. Dies stehe im Gegensatz zur im Landkreis geübten Praxis, wo das Landratsamt eine eigenständiger Vertragsunterzeichnung durch Unterkunftsbewohner wiederholt abgelehnt habe, wie die Helferkreise betonen. Ein Abschluss von Verträgen durch die Bewohner sei "aus Gründen der Gleichbehandlung" nicht möglich, schrieb Bayerstorfer im Mai, weil nicht in jeder Asylunterkunft so viele Anschlüsse wie Bewohner zur Verfügung stünden. Dass man weiter den ehrenamtlichen Helfer diese Aufgabe aufbürden möchte, ist auch aus dem Schreiben Herrmanns herauszulesen. Dass Bewohner selbst Verträge abschließen, scheitere "oftmals daran, dass die Anbieter mit ihnen keine Verträge schließen wollen". Man sei auf die Hilfe der Ehrenamtlichen angewiesen.

Die Helferkreise schreiben an Bayerstorfer, "sicher stimmen Sie dem Innenminister zu in seiner Bewertung des Internets als wichtiger Eckpunkt zur Teilhabe und Integration von geflüchteten Menschen in die Gesellschaft im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung". Ob Schule, Informationsschreiben zu Corona in allen gängigen Sprachen oder Aufklärung zur Impfung, das Internet sei unverzichtbar. Zudem trage der Landkreis "mit Stolz" die Auszeichnung "Digitale Bildungsregion". Um diesem Titel gerecht zu werden, müssten auch geflüchtete Menschen Zugang erhalten.

© SZ vom 25.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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