Kunst im Impfzentrum Erding:Turnhalle der Hoffnung

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29 Künstler und eine Künstlergruppe aus dem Landkreis Erding stellen im Impfzentrum aus. Die Motive spiegeln Sehnsüchte wider, verarbeiten Eindrücke aus der Corona-Zeit, stellen die Natur dar, spielen mit leuchtenden Farben

Von Julian Illig, Erding

Schulturnhallen sind selten besonders inspirierende Orte. Sie stehen meist für Lehrer mit Trillerpfeifen, Dauerläufe und pubertären Schweiß. Die Turnhalle der Schule am Lodererplatz in Erding soll jetzt für Hoffnung stehen, hier ist seit 1. März das Impfzentrum des Landkreises untergebracht und im Impfzentrum auch eine Kunstausstellung. Das Impfzentrum "verbreitet Hoffnung mit der Impfung und wir verbreiten Hoffnung mit den Bildern", sagt Rosmarie Weigert, die die Ausstellung organisiert hat.

Will man sich impfen lassen, absolviert man in der Turnhalle einen mit Bauzäunen abgesteckten Parcours. Die Bauzäune sind mit weißen Planen abgedeckt, an denen die Bilder hängen. 29 Künstler und eine Künstlergruppe, alle aus dem Landkreis Erding, stellen hier aus. Das Thema der Ausstellung ist natürlich Hoffnung - "Hoffnung auf ein unbeschwertes Leben", nennt das Weigert. Ein Drittel der Künstler seien Profis, schätzt Weigert, unter den anderen sind viele, die Kunst als intensives Hobby betreiben, Kurse besuchen oder an Kunstreisen teilnehmen.

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(Foto: Stephan Görlich)

Über allem thront Mr. Woodlands eindrucksvolles Wandbild "Confidence", das er in einigen Tagen Arbeit auf eine der Turnhallenwände gemalt hat.

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(Foto: Stephan Goerlich)

Hier das Werk "Lichtung" von Hannes Döllel.

So ist eine recht wilde Mischung an Bildern zusammengekommen. Die Stile sind vielfältig, konkret und abstrakt, es sind Zeichnungen dabei, Collagen und sogar Skulpturen. Die Motive spiegeln Sehnsüchte wider, verarbeiten Eindrücke aus der Corona-Zeit, stellen die Natur dar, spielen mit leuchtenden Farben. Über allem thront Mr. Woodlands alias Daniel Westermeiers eindrucksvoll Wandbild "Confidence", das er in einigen Tagen Arbeit an eine der Turnhallenwände sprühte. Diese Wand steht ganz am Ende des Parcours' nach der Impfung, hier nehmen sich die Menschen dann auch mal Zeit und treten näher. Westermeier wählte kräftige Farben, betende Hände stehen im Zentrum der Arbeit. Der Künstler Hannes Döllel will mit seinen Bildern "Lichtung" das Gefühl darstellen, aus dem dunklen Wald in "helles, warmes Licht" zu treten, wie er es beschreibt. Heike Plattners "Auf Wiedersehen in Palavakkam" steht für die Sehnsucht nach Reisen, danach endlich wieder Verwandte und Freunde sehen zu können. Die junge Künstlerin Jasmin Boehme malte ein hell-leuchtendes Mädchen, das sich mit einem Schirm vor dem dunklen Unwetter schützt, mehr als Hoffnung, will sie Zuversicht ausstrahlen.

Die Rückmeldung der Menschen, die sich impfen lassen, ist ausnehmend positiv. Die Bilder wirkten beruhigend, sagen einige, es sei allein schon schön, mal wieder etwas anschauen zu können. Eine Krankenschwester nennt die Stimmung gar "bezaubernd". Der Arzt Florian Bellstedt führt das Arztgespräch vor der Impfung. Er meint, die Bilder gäben der Halle eine entspannte, lockere und gelassene Atmosphäre. Er selbst habe zwar noch nicht alles gesehen. Doch wenn die Zeit es zuließe, gehe er gerne durch und schaue sich etwas an. Es sei eine schöne Idee "gegenüber den nackten Bauzäunen".

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(Foto: Stephan Goerlich)

Das Mädchen mit dem leuchtenden Regenschirm von Oench aka Jasmin Böhme.

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(Foto: Stephan Goerlich)

"Corona-Angel" von Rosmarie Weigert.

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(Foto: Stephan Goerlich)

"Wiedersehen in Palavakkam" von Heike Plattner.

Die Künstler selbst sind sehr dankbar für die Möglichkeit, schildert die Organisatorin Weigert. "Sie haben sich sehr gefreut, wieder kommunizieren zu können." Döllel, ehemaliger Professor an der Universität der Künste in Berlin, führt aus, es sei die momentan seltene Möglichkeit gewesen, in der Öffentlichkeit präsent zu sein. Auch Westermeier sei sofort "Feuer und Flamme gewesen", merkt Weigert an. Etwa 300 Impfungen werden im Impfzentrum täglich durchgeführt, oft sind auch Begleitpersonen dabei. Dadurch wird die Kunst einem sehr breiten Publikum zugänglich, wovon Künstler, solange die Museen geschlossen sind, sonst nur träumen können. Nicht jeder Besucher nimmt sich Zeit für die Kunst, gerade bei der Erstimpfung sind viele auch etwas gestresst.

Trotzdem ist Weigerts Resümee nach den ersten drei Wochen positiv: "Es ist was Besonderes". Sie will die Ausstellung noch vergrößern, auch der ganze Außenbereich soll einmal bemalt sein. Weigert sagt, der Ort solle zu einem "Zentrum der Hoffnung" werden. Hoffen wir, dass sich diese Hoffnung auch einmal erfüllt.

© SZ vom 27.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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