Kunst im freien Raum:Vorübergehend monumental

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Die Landart-Installation ist neben einer Kiesgrube aufgebaut. Schmale Einschnitte in jedem Kubus geben beim Aufstieg den Blick nach draußen frei und lassen Licht ins Innere. (Foto: Anne Wild/oh)

In der Nähe von Forstern steht für knapp zwei Wochen eine mehr als 30 Meter hohe Stahlskulptur. "Sichtung I" von Hildegard Rasthofer und Christian Neumaier ist ein begehbares Raum-, Licht- und Klangerlebnis

Von Florian Tempel, Forstern

An diesem Donnerstag beginnt eine außerordentlich bemerkenswerte Kunstaktion in der Nähe von Forstern. Die begehbare Raum- und Klangskulptur "Sichtung I" der Architektin Hildegard Rasthofer und des Metallbildhauers Christian Neumaier ist ein verborgenes und temporäres Erlebnis und gleichzeitig auch ein monumentales Großereignis. Die Dimensionen des Landart-Objekts sind so beeindruckend, dass man sie gleich als erstes mitteilen muss. Der viereckige Turm aus massivem Stahl ragt 32,4 Meter hoch und wiegt 70,4 Tonnen. Und trotzdem: In zwei Wochen wird "Sichtung I" wieder verschwunden sein und vielleicht nie wieder auftauchen oder wenn, dann in einer anderen Form.

Das mag alles ein bisschen verwirrend klingen, hat aber ganz verständliche Erkärungen. Rasthofer und Neumaier haben ihr Werk so geplant, dass man es auf- und abbauen kann und zwar so, dass es, "bei jedem Aufbau als Objekt und Ereignis neu entsteht". Der nun erstmals errichtete Turm besteht aus 13 Würfeln. Jeder Kubus hat eine Kantenlänge von 2,40 Meter und wiegt 4,8 Tonnen. Einzeln sind die Stahlwürfel also durchaus transportabel. Im Inneren der Kuben ist eine Treppe in U-Form eingebaut. Übereinandergestapelt kann der Besucher auf der Treppe über 156 Stufen durch alle 13 Einzelteile der Skulptur bis auf die oberste Ebene steigen, die als offene Plattform betreten werden kann. Zwei einander diagonal gegenüber liegende Einschnitte vom Boden bis zur Decke geben in jedem Würfel den Blick nach draußen frei. Das einfallende Licht aber lässt im Inneren Wände und Stufen leuchten oder legt Schatten über sie. Ganz oben angekommen bietet sich ein freier Rundumblick. Bei guter Sicht übersieht man weit die Münchner Schotterebene und in der Ferne die Alpen, auf der anderen Seite geht der Blick über das Erdinger Hügelland.

Die Außenhaut der Skulptur ist wie auch die Stufen aus zwei Zentimeter starken Stahlscheiben gefertigt. In unterschiedlichen Tönen und Helligkeiten changiern die Oberflächen zwischen silbern, blau, grün, rot, orange, braun und schwarz. Der Stahl hat zudem durch Witterungseinflüsse eine charakteristische Patina.

Für Hildegard Rasthofer und Christian Neumaier ist Stahl ein alltägliches Material. Selbst ihr mit dem Fassadenpreis des Landkreis Erding prämiertes Wohnhaus in Forstern hat eine Außenhaut aus Stahl. Eine bekannte Skulptur Neumeiers sind die Edelstahlbögen im Garten des Erdinger Finanzamtes.

Das visuelle und räumliche Erlebnis in seiner Spannung zwischen einem klar begrenzten Innen- und dem weiten Außenraum wird durch eine weitere Dimension noch bereichert. Beim Aufstieg biegen sich die stählernen Stufen durch das Gewicht jedes Besuchers minimal und federn dann bei der Entlastung ebenso minimal zurück. Die nur unmerklich schwingenden Treppenstufen lassen Töne und Klänge entstehen. Je nach Intensität der Bewegung, aber auch durch weitere Parameter wie die Temperatur und die Materialspannung verändert sich der Klang. Jeder Besucher hinterlässt eine eigene Klangspur.

Die begehbare Skulptur steht am Rande einer Kiesgrube auf privatem Grund. Wo genau, wird nicht verraten. Denn der Besuch von "Sichtung I" kann aus nachvollziehbaren Gründen nicht einfach jedem selbst überlassen werden. Um den außerordentlichen Stahlturm zu sehen und zu begehen, muss man sich vorher anmelden. Das ist zwingend und auch gut so. Auf der Internetseite www. sichtung.info ist das ganz einfach. Eine Art Kalenderblatt listet die Besuchszeiten in dieser und der kommenden Woche auf: Jeweils von Donnerstag bis Sonntag gibt es zehn Stundenblöcke ab 8 Uhr. Als Besucher sucht man sich einen Tag und eine Stunde aus und bucht diese online. Pro Stunde werden Gruppen von maximal zwölf Personen gebildet. Eine Eintrittskarte kostet 14 Euro, ermäßigt sechs Euro. Kinder unter zwölf Jahren sind nicht zugelassen.

Vor der Besichtigung treffen sich alle, die sich für eine bestimmte Uhrzeit angemeldet haben, im Besucherzentrum im Metallbaubetrieb Neumaier in Forstern. Die Gruppe wird von einem Guide dort abgeholt und in etwa zehn Minuten Fußweg zum Standort von "Sichtung I" gebracht. Festes Schuhwerk mit rutschfester Sohle wird für das Betreten der Skulptur vorausgesetzt. Schon der Weg dorthin ist Teil des Erlebnisses.

"Sichtung I", geöffnet von 18. bis 21. und 25. bis 28. Oktober, jeweils 8 bis 17 Uhr. Anmeldung auf www.sichtung.info. Besuchzentrum Metallbau Neumaier, Gewerbering 15, Forstern.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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