Kulturpreis des Landkreises Erding:Bayern hat viele Facetten

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Kulturpreisverleihung 2018 des Landkreises Erding beim Eintrag ins Goldene Buch (von links): Landrat Martin Bayerstorfer, Festredner Professor Ferdinand Kramer von der Ludwig-Maximilians-Universität, Bernhard Sinseder, Leiter der Schäfflergruppe aus Taufkirchen, sowie Kabarettist Alfred Mittermeier. (Foto: Renate Schmidt)

Der Kabarettist Alfred Mittermeier und die Schäfflergruppe der Taufkirchner Feuerwehr haben den Kulturpreis 2018 erhalten. Festredner Professor Ferdinand Kramer von der LMU erinnert an 100 Jahre Freistaat

Von Philipp Schmitt, Erding

Die Schäfflergruppe der Taufkirchner Feuerwehr und der Dorfner Kabarettist Alfred Mittermeier sind am Freitagabend in der Stadthalle mit den Kulturpreisen 2018 geehrt worden. Der Kulturpreis wurde bereits zum 40. Mal verliehen, um besondere kulturelle Leistungen zu würdigen, teilte Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) beim Festakt mit.

"Ich freue mich über den Preis", sagte Mittermeier, der sich als "einfacher Kabarettist im Weinberg der Satire" verstehe. Bei einer Kostprobe auf der Bühne stellte der neue Preisträger sein kabarettistisches Können mit feinsinnigem Humor, cleverer Schlagfertigkeit und Entertainer-Qualitäten unter Beweis. Durch Bühnenpräsenz, Sprachwitz, passende Pointen und launige Kommentare hatte der Künstler schnell den direkten Draht zum Publikum und die richtige Wellenlänge gefunden, um anzukommen. Es war zu spüren, dass sich der Kabarettist - der Betriebswirtschaftslehre studiert hat und früher für die Unabhängige Junge Liste als Stadtrat und Kulturreferent in Dorfen tätig war - auf der freien Wildbahn der Bühne eher zu Hause fühlt als im Büro. Die Resonanz auf seine in funkelnder Sprache, mit sprühender Begeisterung präsentierten klugen Wortspiele war in der Stadthalle gut. Er halte seinem Publikum ohne Klamauk und klug demaskierend etwa bei seinem neuen Soloprogramm "Ausmisten!" ebenso wie bei "Zuckerschlecken", "Sündenbockerei", "Extrawurst ist aus!" gekonnt den Spiegel vor, wie es Bayerstorfer in der Laudatio formulierte. Mittermeier war in seinem Element, als er hintersinnige Geschichten mit bayerischem Lokalkolorit und Spitzfindigkeiten zum Besten gab: Die Geschichte etwa zum bayerischen "Bayexit" als Gegenstück zum britischen "Brexit" oder Anekdoten, die das "Mia san Mia"- und "Passt scho"-Selbstbewusstsein wider spiegeln. Mittermeier erzählte die Geschichte des aufmüpfigen Münchner Kutschers, der 1834 im Englischen Garten dreist das Gefährt von König Ludwig I. überholt haben und dann zum verdutzten Monarchen frech "Wer ko der ko" hinüber geschrien haben soll - nicht ohne Folgen, denn der König soll sich mit einer Retourkutsche revanchiert und die damals noch herrschende Ordnung wieder hergestellt haben.

Weit länger als ein Jahrhundert reicht die Tradition des Schäfflertanzes zurück, die im Pestjahr 1517 in München durch den Tanz der Fassmacher entstanden sein soll und dort mit dem Schäffler-Figuren beim berühmten Glockenspiel am Marienplatz verewigt sind. In Taufkirchen wurde vor fast 70 Jahren 1951 auf Initiative der Karnevalsgesellschaft und des TSV die erste Schäfflergruppe mit dem Veldener Valentin Maierthaler als "Urvater" gegründet. Nach einer Flaute wurde der Brauch 1984 von der Freiwilligen Feuerwehr Taufkirchen unter Leitung von Alois Sinseder wieder belebt und wird seitdem alle sieben Jahre während der Faschingszeit drei Monate lang meist im Freien zu Klängen der Musikkapelle mit einer Gruppe von 20 Personen getanzt. Inzwischen hat die Gruppe 40 Mitwirkende, darunter vier Routiniers von 1984 und viele Neulinge. Bernhard Sinseder bedankte sich bei der Gruppe für Disziplin und Teamgeist. Der Kulturpreis sei Ehre und Ansporn für die Zukunft. Seinen Vater Alois zollte er mit einem "Vergelt's Gott, Pap!" Anerkennung für dessen "unermüdlichen Einsatz" für die Schäffler, die am Freitag in ihren roten Schäffler-Jacken, schwarzen Hosen, ledernen Schürzen und grünen Mützen samt Kasperl- oder Hanswursten vor der Stadthalle tanzten.

Die Mentalität und Geschichte Bayerns, die Befindlichkeit und den Zeitgeist schilderte Festredner Professor Ferdinand Kramer vom Institut für Bayerische Geschichte der Münchner Universität LMU bei seinem Vortrag zu "100 Jahre Freistaat Bayer". Es gab viele Konflikte, Umbrüche wie 1918, 1933 und 1945 - aber auch glückliche Zeiten. Monarchie, Revolution, zwei Weltkriege, Demokratie, Aufschwung, Veränderungsprozesse, Wandel vom Agrar- zum High-Tech-Land, Fall des Eisernen Vorhangs, Bevölkerungsverdoppelung auf 13 Millionen Einwohner, Persönlichkeiten von Kurt Eisner, Franz Beckenbauer, Franz-Josef Strauß bis Papst Benedikt: Bayern habe sich immer wieder erneuert, sagte Kramer.

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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