Kommunal Pass:Anstehen für 50 Euro

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Ein Bild, das man von früher kennt und eigentlich der Vergangenheit angehören sollten: Asylbewerber stehen in Erding an, um ihr Bargeld zu bekommen. (Foto: Thomas Daller)

Flüchtlinge bekommen einen kleinen Bargeldbetrag ausbezahlt

Von Florian Tempel, Erding

So sieht sie also aus, die Flexibilität der ganz speziellen Erdinger Flüchtlingsbürokratie: Ob Frauen mit Babys auf dem Arm, Familienväter oder Alleinstehende - Hunderte Flüchtlinge aus dem Landkreis sind am Mittwoch stundenlang angestanden, um nach einem ganzen Monat ohne einen Cent Bargeld nun 50 Euro pro Erwachsenen und 20 Euro für jedes Kind zu erhalten. Manche haben beim Warten für diese "unbürokratische" Bargeldauszahlung, wie es in einer Pressemitteilung aus dem Landratsamt heißt, aber auch den ganzen Tag vor der Tür zur Fachstelle Asyl verplempert. Ein System, wer wann eingelassen wurde, war weder für die Wartenden noch für Beobachter erkennbar.

Ohne Vorwarnung, ohne Ankündigung und ohne Absprache mit den Helferkreisen und Bürgermeistern ist vor einem Monat im Landkreis Erding für alle hier lebenden und noch nicht anerkannten Flüchtlinge die Chipkarte "Kommunal Pass" eingeführt worden. Die Karte ist ein bayernweit einzigartiges Ding. Auf sie werden die gesetzlich festgelegten, staatlichen Sozialleistungen für Flüchtlinge gutgeschrieben. Man kann mit der Karte, wenn es klappt, bargeldlos einkaufen. Doch in all den vielen alltäglichen Situationen, in denen ein Mensch Bargeld braucht, geht für die Flüchtlinge im Landkreis nichts. Der Erdinger Kommunal Pass lässt auf Anordnung von Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) keine Bargeldabhebungen zu. Die nach heftiger Kritik von Bayerstorfer versprochene Freischaltung funktioniert noch immer nicht. Es dauere "aus technischen Gründen noch einige Zeit", hat Bayerstorfer am 9. Mai in einem Brief geschrieben, "aber ich bin zuversichtlich, dass dies nicht mehr allzu lange dauern wird". Wenn es dann so weit ist, wird man allerdings nur ein Teilbetrag, etwa 150 Euro im Monat, abheben dürfen. Warum nicht alles? Dafür hat der Landrat keine Begründung gegeben, er hat es eben so entschieden.

Das bayerische Sozialministerium hat unlängst auf eine Anfrage des Mühldorfer SPD-Abgeordneten Günther Knoblauch zur Erdinger Flüchtlings-Chipkarte bekannt gegeben, die Regierung von Oberbayern werde prüfen, ob der Erdinger Kommunal Pass "als Geldleistungssurrogat eingeordnet werden kann". Was immer das nun wieder heißen mag, es hört sich genau so sonderbar an, wie es das Erdinger System selbst ist.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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