Kommentar:Zynisch und beschämend

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Was akuter Bedarf ist, würden aber wohl viele, die seit drei oder mehr Wochen die gleichen Klamotten tragen müssen, anders definieren

Von Thomas Daller

Immer wieder hat Maria Brand bei der Ausgabe von Spenden der Kleiderkammer ungläubig die Asylbewerber gefragt, ob sie tatsächlich vom Sozialamt weder Gutscheine noch Geld für Bekleidung bekommen hätten. Immer wieder, weil sie die Vorstellung so ungeheuerlich fand, dass sie den Aussagen kaum Glauben schenken wollte. Und doch ist es tatsächlich so: In München hat man ihnen nichts gegeben und als sie nach Erding kamen, erklärte man sich dafür ebenfalls nicht für zuständig. Denn "da der Aufenthalt nur von kurzer Dauer ist, und die anschließende dezentrale Unterbringung erfolgt, soll hier nur der akute Bedarf gedeckt werden", heißt es in einer Stellungnahme des Landratsamtes. Was akuter Bedarf ist, würden aber wohl viele, die seit drei Wochen die gleichen Klamotten tragen müssen, anders definieren. Und die Flüchtlinge, die meist mit nicht mehr als dem geflohen sind, was sie am Leibe tragen, müssen schauen, wie sie zurecht kommen.

Das haben sie in ihrer Not nun auch getan und den sozialen Kleiderladen regelrecht gestürmt, der ihrer Unterkunft am nächsten lag. Die Ehrenamtlichen traf das völlig unvorbereitet, denn weder der Landkreis noch die Regierung von Oberbayern hatten sie davon informiert, welche Zumutung man neuerdings den Flüchtlingen aufbürdet. Denn vielleicht hätte man in einer konzertierten Spendenaktion zusammen mit Wohlfahrtsverbänden das Problem rechtzeitig lösen können, wenn man rechtzeitig davon gewusst hätte. Stattdessen stiehlt man sich still und leise aus der Verantwortung und wartet gelassen ab, bis auch Ergänzungssysteme wie die Kleiderkammer kollabieren. Das ist zynisch und beschämend.

Das kann und darf so nicht weitergehen, vor allem, wenn man bedenkt, dass die nächsten Flüchtlinge in einigen Wochen mit wesentlich niedrigeren Temperaturen konfrontiert werden, für die sie nicht ausgestattet sind. Wenn der Krisenstab Asyl im Landratsamt zusammentritt, erwarten wir Bürger eine rasche und andere Lösung; und zwar eine anständige und menschenwürdige.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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